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gemacht.
»Glaub ja nicht, dass du mich los bist«, rief Kyle. Den verletzten Arm an die Brust gedrückt, kam er auf die Knie.
Jan sah ihn ausdruckslos an. »Du bist jämmerlich«, sagte er.
»Das reicht«, sagte ich an Jan gewandt. Ich ging neben Kyle in die Hocke. »Bist du okay?«, flüsterte ich.
»Sehe ich so aus?«, fragte er.
»Was willst du hier?«, fragte ich wieder. »Ich dachte, man hätte dich verhaftet.«
»Tja«, meinte er, während er aufzustehen versuchte. »Die haben mich wieder rausgelassen.«
Ich spürte, wie mich eine Woge der Erleichterung überspülte. Aber hieß das, dass Kyle wirklich unschuldig war? Oder hatte nur jemand die Kaution für ihn hinterlegt? Erst jetzt merkte ich, dass Kyle sehr krank aussah. Ich berührte seine Stirn mit dem Handrücken - er war glühend heiß. »Ich glaube, du hast Fieber«, sagte ich.
»Ich bin krank.«
»Dann geh nach Hause.«
»Wo ist das?«, fragte er.
Gute Frage.
»Kalifornien«, antwortete ich.
Ich half Kyle beim Aufstehen. Er wog mindestens eine Tonne. »Was ist mit dir?«, flüsterte er. »Wohin gehst du?«
»Das habe ich dir schon gesagt«, antwortete ich.
Kyle schüttelte den Kopf. »Bitte glaub mir dieses eine Mal. Ich sage die Wahrheit.«
»Es wird schon gut gehen«, behauptete ich. Obwohl ich mir nicht mehr so sicher war.
Kyle zog mich an sich und umarmte mich fest. »Wie du meinst«, sagte er. Offenbar hatte er aufgegeben. Als ich mich von ihm losgemacht hatte, war Jan fort. Er hatte meine Tasche ein paar Schritte von mir entfernt auf dem Boden abgestellt. Ich ließ Kyle in der Menschenmenge stehen. Aber die Szene hatte mich so aufgewühlt, dass ich noch mal darüber nachdachte, was ich gerade im Begriff war zu tun. Wenn Jan nur nicht so geheimnisvoll getan hätte ... Konnte ich wirklich mitkommen ohne zu wissen, wohin?
Ich entschied mich dagegen.
Aber ich wollte mich wenigstens von ihm verabschieden und erklären, warum ich meine Meinung geändert hatte. Wenigstens das hatte Jan verdient.
Ich entdeckte ihn in einiger Entfernung, wie er sich mit schnellen
Schritten seinen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Ich schnappte mir meine Tasche und hastete hinter ihm her. Er stand bereits in der Schlange vor dem Metalldetektor, als ich endlich zu ihm stieß. Er sah mich zerstreut an, als ob er mich kaum erkennen würde. »Ich konnte es nicht mehr ertragen«, erklärte er.
»Das kann ich verstehen«, antwortete ich. Der Augenblick war gekommen.
Er nahm meinen Ellenbogen. »Ich bin heilfroh, wenn wir hier weg sind.«
»Ich weiß«, sagte ich. Wie sollte ich es ihm bloß erklären?
»Das glaube ich nicht«, erwiderte er.
Alles ging so schnell. Wir standen nun schon ganz vorne in der Schlange. Ich musste nur durch den Metalldetektor gehen und die Sache wäre entschieden. Wir wären unterwegs. Jan zeigte dem Wachmann die Tickets. Ein weiterer Beamter bedeutete mir, meine Tasche auf das Band zu legen. Aber stattdessen trat ich zur Seite.
»Was machst du?«, fragte Jan.
»Ich kann nicht«, gab ich zurück. »Es tut mir Leid.«
Er runzelte die Stirn. »Natürlich kannst du.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ist es wegen Kyle?«, fragte Jan, als ob er es nicht fassen könnte. »Wegen dem, was er über mich gesagt hat?«
Vielleicht war es das. Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich nicht mit Jan gehen konnte - wo immer er hinfliegen wollte.
»Würde es etwas ändern, wenn ich sage, dass ich dich liebe?«, fragte er, während er mein Gesicht eingehend betrachtete.
Seltsamerweise änderte es nichts. Vielleicht hätte es das, wenn er es früher gesagt hätte. Vielleicht hätte es das, wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, dass er mich damit nur überreden wollte, mit ihm zu kommen.
Jan stieß einen Seufzer aus. »Dann war’s das jetzt wohl.«
»Es tut mir Leid«, sagte ich wieder. Irgendwie schien das in letzter Zeit der einzige Satz zu sein, den ich von mir geben konnte.
»Ich will, dass du etwas weißt.« Jan nahm meine Hand und sah mir in die Augen. »Ich habe dir einen großen Gefallen getan.«
Ich machte Anstalten zurückzuweichen. »Was für einen Gefallen?«
»Ich habe dich gerettet«, antwortete er. »Vor dir selbst.«
Mich gerettet. War ich in Gefahr gewesen?
Jan musterte mein Gesicht. Als ich keine Regung zeigte, schüttelte er den Kopf, küsste mich zart auf die Wange und ließ mich los. Dann drehte er sich um, ging rasch durch den Metalldetektor und griff auf der anderen Seite nach seinem Koffer. Ohne sich
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