'Alle meine Kinder'
Addis Abeba gemacht und zeigt eine saubere und freundliche Umgebung. Sie traf Haregewoin nicht an, aber Henoks Mutter Tigist bat sie herein und forderte sie auf, sich wie zu Hause zu fühlen. Man sieht die kleineren Kinder (die älteren waren in der Schule) um die Besucherin herumspringen, lachen und ihre Gesichter dicht vor die Kameralinse halten und Allo rufen! Die Kinder machen einen gepflegten und wohlgenährten Eindruck. Mittags kommen die älteren Kinder in Schuluniformen lachend und schreiend zum Mittagessen nach Hause; ein paar von ihnen schlingen rasch ihr Essen hinunter und spielen dann Fußball im Hof. In sämtlichen Zimmern sind die Betten gemacht; auf den Regalen liegt die zusammengefaltete saubere Kleidung der Kinder, und an die Wände sind Zeichnungen von ihnen geheftet. Im Säuglingszimmer sieht man ein Baby, dem gerade eine Betreuerin das Fläschchen gibt, während ein anderes Baby von einem Kissen gestützt an seinem Fläschchen nuckelt. Nach dem Essen räumen die Betreuerinnen das Geschirr ab, da der Speisesaal auch als Studierzimmer dient.
Auch zwei amerikanische Medizinstudenten, die unter der Ägide der World Wide Orphans Foundation (WWO) mit Sitz in New York arbeiteten, machten im September 2005 Überraschungsbesuche bei Haregewoin, um sich über die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu informieren. Sie reichten einen langen, detaillierten Bericht bei Jane Aronson, Leiterin der WWO, ein. Er ist datiert auf den 23. September 2005 und liest sich in Auszügen wie folgt:
Haregewoin ist eine tatkräftige und engagierte Frau. Sie spricht ausgezeichnet Englisch. Sie ist ständig in Bewegung und vertritt ihre Überzeugungen mit Leidenschaft. Sie hat ganz offen erklärt, dass Waisen es schwer hätten und dass ihre Waisen oft traurig seien und dass sie den 80 Kindern nicht die Aufmerksamkeit zuteil werden lassen könnte, die sie in einer Familie erhielten. Das schien uns ehrlich zu sein und nicht Ausdruck eines Versagens von ihrer Seite.
Nach einem Gespräch mit Haregewoin in ihrem Büro besuchten wir ihre erste Einrichtung. Dort sind 50 Kinder mit unbekanntem HIV-Status untergebracht, die zwischen null und vierzehn Jahre alt sind. Wir sahen nicht viele Kinder, weil alle, die älter als sieben waren, in der Schule waren, so dass nur ein Dutzend Vorschulkinder und sechs bis acht Babys im Heim waren. Das Wohnzimmer war mit Büchern und Spielsachen ausgestattet. In den Schlafräumen standen jeweils acht bis zwölf Betten, und über den Betten hingen Poster und Zeichnungen der Kinder. Die Kinder, die wir gesehen haben, waren gutgekleidet, verhielten sich uns gegenüber erwartungsgemäß etwas schüchtern und hatten altersgerechtes Spielzeug. Ihre Schlafzimmer waren sauber.
Dann besuchten wir das Säuglingszimmer. Es kümmerten sich zwei bis drei Kindermädchen um sechs bis acht Babys. In diesem Zimmer gab es keine Fenster und auch sonst keine natürliche Lichtquelle, d. h., es war ziemlich dunkel. Es roch nach Urin und Windeleimern, aber nicht schlimmer, als ich es aus anderen Waisenhäusern kenne. Zwei der Babys, die ich auf den Arm nahm, machten einen kränklichen Eindruck (ein wenig schwach, der Blick folgte nicht); die anderen wirkten gesund.
Allgemeiner Eindruck: schöne Einrichtung, die Schulkinder alle in der Schule, kleinere Kinder gut versorgt und ausreichend gepflegt und eine hübsche Auswahl an Spielzeug. Einige der Kleinkinder machten einen kränklichen Eindruck, was vielleicht mit Durchfall zusammenhing. Im Säuglingszimmer wären mehr Luft und Licht wünschenswert, aber das ist kein schwerwiegender Mangel.
Das zweite Waisenhaus befindet sich auf einem sehr schönen Grundstück mit Garten, Bäumen und Vögeln. Es leben dort 30 Kinder zwischen vier Monaten und 14 Jahren. Diese Kinder sind alle HIV-positiv. Sie gehen nicht zur Schule, werden aber im Haus unterrichtet. Es gibt eine Krankenschwester. Sie verfügt über eine ausgesprochen gute Krankenstation, mit einem abgetrennten Handwaschbecken, genügend Platz, um sich die Kinder anzusehen und sie zu untersuchen und einen erstaunlich guten Vorrat an rezeptfreien Medikamenten. Von den weit verbreiteten Kopfpilz- und Hautpilzerkrankungen, die ich unter HIV-positiven Waisen mittlerweile für fast selbstverständlich hielt, war hier nichts zu sehen …
Die älteren Kinder (18) aßen gerade Nudeln zu Mittag, als wir eintrafen. Alle fingen an zu kichern, als wir den Raum betraten, und es war leicht, ihnen ein Lächeln zu entlocken, als ich
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