Alle meine Schuhe
fragen, versteht du das?«
»Was ist dann auf der Party passiert?«, fragte Amy leise.
»Ich war spät dran.« Sergei stand vom Sofa auf und ging zum Barschrank, der an der hinteren Wohnzimmerwand stand. Er holte die Karaffe mit Brandy heraus und füllte erst Amys Glas und dann seines nach. Amy widersprach nicht. »Ich musste vorher noch zu einem Presseempfang anlässlich der Eröffnung eines Tanzstudios in Greenwich Village, das nach mir benannt werden sollte. Natürlich dauerte diese Geschichte viel länger als ursprünglich geplant. Gegen Ende muss ich ziemlich hektisch gewirkt haben. Aber ich fürchtete, Hannah zu verpassen. Ich fuhr mit dem Taxi rüber zu Margots Party … und da war sie – meine Hannah !« Sein Gesicht strahlte bei der Erinnerung. »Schöner denn je, wenn das überhaupt möglich war.«
Amy betrachtete aufmerksam sein Gesicht. »War sie mit Patrick und mir da?«
»Nein. Es war ja schon spät. Patrick war bereits mit dir ins Hotel zurückgefahren, um dich ins Bett zu bringen. Hannah erzählte mir, dass ich dich nur um zehn Minuten verpasst hatte.«
Amy griff nach ihrem Glas und nahm einen Schluck. Der Geschmack sagte ihr zwar immer noch nicht zu, aber sie mochte die entspannende Wirkung.
»Aber sie sagte mir, sie hätte ein Foto dabei und ob ich es sehen wolle.«
»Und, wolltest du?«
»Aber natürlich! Ich mag den Gedanken an dich fünf Jahre lang erfolgreich verdrängt haben, aber ich war neugierig. Ich hatte keine Ahnung von Kindern, erwartete nicht, großartig viel zu empfinden beim Anblick dieses Bildes, aber … als ich es betrachtete, da sah ich in meine eigenen Augen.«
Amy lächelte. »Kann ich mir vorstellen. Sie ähneln sich sehr, nicht wahr?«
»Und dein Gesicht war das Abbild meiner Mutter! In dem Moment wurde mir bewusst, dass du ein Teil von mir bist. Es war der bewegendste Augenblick meines Lebens, das schwöre ich, Amy. Und abgesehen von Anna und Katya ist dem seither nichts nahe gekommen.«
»Und was hast du dann getan?«
Sergeis Miene verdüsterte sich, während er über die Antwort nachdachte. »Mir wurde auf der Stelle klar, dass ich dich sehen wollte. Ich war wütend, weil ich dich so knapp verpasst hatte. Ihr wolltet schon früh am nächsten Morgen nach England zurückfliegen.«
»Ich war ein ganz schöner Jetsetter mit meinen fünf Jahren!«
»Allerdings. Ich fragte Hannah, wie ich es anstellen könnte, dich zu sehen. Sie war nicht sicher, meinte aber, dass eine Party wohl kaum der richtige Ort sei, um das zu besprechen, dass wir – wie hatte sie es ausgedrückt – uns hier mit den Gästen unterhalten müssten. Daraufhin steckte ich ihr meine Nachricht zu. Darin bat ich sie, mich nach der Party allein zu treffen …«
»Ja, ich kenne diesen Brief«, flüsterte Amy.
»Als ich ihn schrieb, hoffte ich, allein mit Hannah reden und an die alten Zeiten anknüpfen zu können.«
»Ach ja?« Amy sah ihn misstrauisch an.
»Amy, Hannah hat Patrick nie hintergangen. Glaube mir, bitte.«
»Entschuldige.«
Sergei hob die Hände in einer Geste der Hilflosigkeit. »Entschuldigungen sind nicht nötig. Ich wollte nur mit ihr reden. Aber nachdem ich das Foto von dir gesehen hatte, war mir klar, dass ich sie jetzt aus einem ganz anderen Grund allein sprechen wollte. Ich wollte etwas über meine Tochter erfahren.«
»Und dann habt ihr euch getroffen? Nach der Party?«
Er nickte. »Haben wir.«
»Und was passierte dann?« Amys Brandyglas war schon fast wieder leer. Ungläubig blickte sie es an.
»Anfangs habe ich mich – wie soll ich sagen – wie der reinste Idiot verhalten. Ich hatte mich in die Sache verbissen und stellte lautstark Forderungen, behauptete, dass ich als dein Vater das Recht hätte, dich zu sehen.«
»Du hast sie angeschrien? «
Er seufzte. »Nein. Ich hätte Hannah nie anschreien können. Aber ich fühlte mich plötzlich als derjenige, der als Einziger leer ausgegangen war, und dass man mir zugestehen müsse, zurückzukommen … einfach so!« Er schnipste mit den Fingern.
»W-was hat Mum gesagt?«
»Sie war wie immer sehr nett zu mir, verfiel in ihre mütterliche Art. Sie sagte mir, wenn ich wirklich zu deinem Leben gehören wolle, dann müsse ich mich verpflichten, dich regelmäßig zu besuchen. Nur dann fände sie diese Treffen sinnvoll. Du warst doch noch so klein …«
»Fünf«, flüsterte Amy, »ich war fünf.«
Sergei nickte. »Sie sagte, wenn ich das verspreche, dann würde sie sich mir nicht in den Weg stellen und außerdem
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