Alle meine Schuhe
an.
»Danke.« Sie lächelte ihn an. Müde und dankbar zog sie die Ärmel fester um ihren Körper. Zögernd fügte sie hinzu: »Jack, ich muss jetzt gehen. Vielen Dank für die Einladung, ich hätte unheimlich gern bei den Vorbereitungen geholfen. Bitte richten Sie Ihrer Großmutter meine besten Wünsche aus. Es wird bestimmt eine tolle Party.«
Jacks Miene verriet nicht, was er dachte. »Was ist mit dem Ballettschuh Ihrer Mutter?«
Amy traten Tränen in die Augen, und sie wandte sich schnell ab. »Ich weiß, dass Ihre Großmutter gut auf ihn aufpassen wird – es ist besser so, wirklich!«
»Ich bin immer noch der Meinung, dass ich mit Grandma sprechen sollte. Amy – warte!«
»Bitte nicht, Jack.« Sie ging rasch los und sagte über die Schulter hinweg: »Meine Mum wäre glücklich, dass ihr Schuh so geschätzt wird von … von jemand anderem. Mir genügt es, zu wissen, wie nett die neue Besitzerin ist.«
Das stimmt nicht, aber wenn ich es mir stark genug einbilde, dann glaube ich es vielleicht irgendwann …
Sie eilte über die Straße, auf der durch den einsetzenden Pendlerverkehr jetzt viel los war. Amy lief zu ihrem kleinen Mietwagen und wischte sich mit Jacks Jackenärmel die Tränen weg.
»Findest du nach Hause?«, rief ihr Jack von der anderen Straßenseite nach.
Nach Hause – was bedeutete das im Augenblick überhaupt?
Trotzdem nickte sie. »Ich komm klar. Hoffentlich wird deine Großmutter eine schöne Party haben.«
»Ich wünschte, du könntest kommen.«
»Tut mir leid. Also dann, auf Wiedersehen, Jack. Es war … nett.«
Er stand auf dem Bürgersteig, schaute ihr nach. Als sie wegfuhr, hob er die Hand und deutete ein Winken an. Amy winkte zaghaft zurück und lächelte. Sie fuhr zu Sergeis Haus. Unterwegs dachte sie unentwegt an Fotos, an Ballettschuhe, die sie niemals wieder berühren würde, und an nette, attraktive Fremde, die zu anderer Zeit, an einem anderen Ort kennenzulernen, bestimmt schön wäre – wenn man nicht so durchgeknallt war wie sie. Der Country-Sender spielte wie auf Bestellung die traurigsten Songs, während Amy in die Abenddämmerung hineinfuhr und sich in die behagliche, tröstliche Windjacke kuschelte.
Wenige Stunden später, zurück in Sergeis Haus, durchschnitt das Klingeln des Telefons die Stille und ließ Amy hochschrecken.
»Ja?«, fauchte sie in den Hörer.
»Wow! Tiger, fahr die Krallen wieder ein!«
»Debbie!« Amy war außer sich vor Freude, die Stimme ihrer Freundin zu hören. »Wie geht es dir? Hey, du Wahnsinnige, wie viel Uhr ist es bei dir überhaupt?«
»Irgendwann in den frühen Morgenstunden. Aber Schlaf wird überbewertet, das sage ich ja immer. Und so, wie du klingst, scheine ich in besserer Verfassung zu sein als du, Süße. Was ist los?«
Amy seufzte. »Ach, nicht viel. War ein langer Tag. Tut gut, dich zu hören.« Es war genau das, was Amy gebraucht hatte.
»Geht mir auch so. Hast du schon welche von deinen Schuhen aufgetrieben?«
»Jein. Ich habe einen von Mums Ballettschuhen gefunden – aus irgendeinem Grund hat Justin nur einen davon in den Karton gesteckt und verschickt. Aber ich musste ihn einfach bei der alten Dame lassen, die ihn von ihrem Enkel bekommen hat, der ihn ihr als Margot Fonteyns Schuh unterjubelte. Ich habe ihn aber durchschaut, und jetzt hat er mich zu der Party für ihren achtzigsten Geburtstag eingeladen, und er ist Schiffbauer.«
Es folgte langes Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Debbie? Bist du noch da?«
Es dauerte noch einen Augenblick, dann sagte Debbie: »Ich glaub schon, obwohl ich einen Moment lang das Gefühl hatte, in ein anderes Universum einzutauchen, in dem alte Damen Boote bauen. Amy, wovon zum Teufel sprichst du? Bist du betrunken?«
»Nein!«, lachte Amy und warf sich aufs Sofa, um zu einer ausführlicheren Schilderung der Ereignisse dieses Tages anzusetzen.
»Okay«, sagte Debbie langsam, nachdem Amy geendet hatte. »Du hast also einen Schuh verloren und einen Mann gefunden? Klingt für mich nach einem guten Deal – taugt er was?«
»Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann!«, widersprach Amy ein bisschen zu vehement. »Ja, er sieht toll aus, aber das spielt momentan keine Rolle. Segelschuhe, abgeflachte Spitze – das muss dir genügen.«
»Hör zu, Miss Spröde, warum gehst du nicht auf diese Party? Du könntest die alte Dame entführen und den Schuh zurückverlangen.«
»Debbie, hör auf! Sie ist reizend, und ich werde ganz bestimmt nicht so etwas tun.«
»Und du
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