Alle meine Schuhe
die riesige Skulptur mitten im Raum zu. Aus der Nähe war erkennbar, woraus das Objekt zusammengesetzt war. Amy bekam große Augen.
»Wow«, war alles, was sie herausbrachte.
Als sie ganz dicht davor stand, konnte sie deutlich erkennen, dass diese wunderschöne Skulptur aus Hunderten von Absätzen bestand, alle mit Draht verbunden und aneinandergeschweißt, damit ein einziger prächtiger Schuh daraus entstand. Das Ganze war in Plexiglas gegossen, sodass die einzelnen Absätze bis in alle Ewigkeit in diesem Kunstwerk gefangen waren.
Gemeinsam betrachteten sie die Skulptur, bis Maddy das Schweigen brach.
»Ich muss dir draußen noch etwas zeigen.«
Als sie aus dem klimatisierten Atelier heraustraten, prallten sie vor eine Wand knochentrockener Hitze. Sie gingen in den verwilderten Garten hinter dem Haus. Und da entdeckte Amy mitten in diesem Garten etwas sehr Sonderbares: einen riesigen Haufen Schuhe.
Ausrangierte, absatzlose Schuhe.
Wie in Trance näherte sich Amy dem Stoß. Maddy stand ganz still und sah ihr dabei zu. Amy ging dicht an den Haufen heran und blieb mit weit aufgerissenen Augen davor stehen. Dann begann sie, wie ein Roboter, oben anzufangen und den Berg zu durchwühlen.
Sie brauchte höchstens fünf Sekunden, um ein Paar ihrer Schuhe zu lokalisieren. Kaum zu übersehen – ihre silbernen Gina Mules, beziehungsweise das, was von ihnen übrig war. Sie lagen ganz oben auf dem Berg, absatzlos und ruiniert. Was für ein Bild der Zerstörung.
Und da – die pinkfarbenen Manolos, deren Preis sie so drastisch reduzieren konnte, wegen des Schmutzflecks auf der Spitze, der mit einem einzigen Tupfer Waschbenzin ganz leicht abgerieben werden konnte …
Und dort! Die Louboutins, die sie über eBay ersteigert hatte, nur zwei Monate, bevor Justin sie genau dort verramschte ...
Und so ging es immer weiter. Je länger sie suchte, desto mehr ihrer Schuhe fand sie. Graue Wildleder-Pierre-Cardins, diese braven lehrerinnenhaften Pumps von Russell & Bromley, die Justin so gefallen hatten. Die paillettenbesetzten Riemchensandaletten von Carvela, die sie daran erinnerten, in Griechenland am Strand Cocktails zu schlürfen … all diese Schuhe waren hier direkt vor ihr.
Die Suche war zu Ende.
28. Kapitel
A my trat einen Schritt von dem Haufen seelenloser Schuhe zurück. Hinter sich hörte sie Maddy sagen: »Ich brauche wohl nicht zu fragen, ob deine Schuhe dabei sind. Ich habe kürzlich eine größere Sendung aus England erhalten. Die Schuhe waren alle zierlich, so wie du. Und jetzt sind sie alle irgendwo in diesem Stapel.«
»Verstehe.«
»Tut mir leid, Sweetheart, muss ein ziemlicher Schock für dich sein.«
»Richtig erkannt.«
Amy ging immer weiter rückwärts über die Wiese den Weg zurück, den sie gekommen war. Dann drehte sie sich plötzlich um, schaute Maddy an und schlug die Hände vors Gesicht. Sie versuchte, das Grinsen zu verbergen, das sich auf ihrem Gesicht breitmachte. Jedoch ohne Erfolg.
»Amy? Geht es dir gut?«
»Sogar bestens!«, prustete Amy los. »Es ist nur so … verrückt … so zum Schreien komisch !« Und dann lachte sie lauthals. Das Ganze kam ihr plötzlich so unwirklich vor, dass sie gar nicht anders konnte. Maddy schaute nur zu.
»Du bist erstaunlich!«, kreischte Amy. »Die meisten Leute würden die Polizei rufen, wenn sich in ihrem Garten jemand so aufführen würde wie ich!«
Maddy verschränkte grinsend die Arme. »Glaub mal nicht, dass mir das nicht auch schon durch Kopf gegangen wäre, Sweetheart. Aber mach weiter, lass es einfach raus.«
»Nein! Oder doch. Ja! Also gut – ich kann es einfach nicht glauben: meine Schuhe, ein Opfer der Kunst.«
»Tut mir ehrlich leid.«
Maddys niedergeschlagene Miene holte Amy zurück in die Realität. »Nein. Das muss es nicht.« Sie wischte sich mit dem Ärmel die Lachtränen weg, ging hinüber zu Maddy und ergriff ihre Hände. Sie war immer noch außer Atem. »Ich habe mittlerweile genug Käufer aufgespürt, um zu wissen, dass sie an all dem keine Schuld trifft. Es ist … in Ordnung, wirklich.«
»Sicher?« Maddy blinzelte Amy skeptisch an.
»Nein«, antwortete Amy wahrheitsgemäß. »Sicher bin ich nicht, aber ich arbeite daran.«
»Weiter so!« Maddy schlug Amy ermutigend auf den Rücken, in etwa so fest wie sie ihr zuvor die Hand gegeben hatte. Zum Glück hatte Amy das kommen sehen und sich entsprechend dagegen gestemmt, sonst wäre sie zu Boden gegangen. »Klingt so, als hättest du einen weiten Weg hinter dir?«
»Weiter,
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