Alle meine Wünsche (German Edition)
ich glaube, dass man sich solche Sachen nicht mit Geld kaufen kann. Ja, es stimmt, ich verdiene Geld mit der Werbung. Davon kann ich ein Gehalt zahlen, das von Mado.
Ja, es macht mir Spaß und ja, ich bin stolz. Nein, es steigt mir nicht zu Kopfe und nein, man kann nicht wirklich von Erfolg sprechen. Ja, der Erfolg ist gefährlich, wenn man anfängt, nicht mehr an sich zu zweifeln. O ja, ich zweifle jeden Tag an mir. Nein, mein Mann hilft mir überhaupt nicht beim Blog. Er überlegt mit mir, wie man die Sachen lagern kann, ja, weil der Verkauf gut läuft; wir haben gestern sogar einen Kreuzstich-Kit nach Stalingrad geschickt.
Stalingrad?
Ich lache: Ich meine das Viertel in Paris. Nein, es gibt keine Botschaft in dem, was ich mache. Nur Spaß, Geduld. Ja, ich denke, dass nicht alles, was man von alters her machte, veraltet ist. Selbermachen ist etwas sehr Schönes; sich Zeit nehmen ist wichtig. Ja, ich denke, dass alles zu schnell geht. Wir sprechen zu schnell. Wir überlegen zu schnell, wenn wir überlegen. Wir schicken Mails und SMS, ohne sie noch einmal durchzulesen, wir verlieren die Eleganz der Orthographie, die Höflichkeit, den Sinn für die Dinge. Ich habe gesehen, dass Kinder Fotos von sich auf Facebook gestellt haben, auf denen sie sich übergeben. Nein, nein, ich bin nicht gegen den Fortschritt; ich habe nur Angst, dass er die Menschen noch mehr isoliert. Letzten Monat wollte ein junges Mädchen sterben, sie hat es ihren 237 Freunden angekündigt, und niemand hat ihr geantwortet. Wie bitte? Ja, sie ist tot. Sie hat sich aufgehängt. Niemand hat ihr gesagt, dass das zwanzig Minuten entsetzliches Leiden sind. Dass man immer gerettet werden möchte, dass nur die Stille auf das erstickte Flehen antwortet. Also, wenn Sie unbedingt eine Formel wollen, würde ich sagen, dass Zehngoldfinger wie die Finger an den Händen ist. Die Frauen sind die Finger und die Hände die Leidenschaft.
Darf ich das zitieren?
Nein, nein, das ist lächerlich.
Im Gegenteil, ich finde das sehr anrührend. Das ist ein hübsches Bild.
Dann schaltet sie ihr Aufnahmegerät aus.
Ich glaube, ich habe eine Menge toller Sätze für meinen Artikel, ich danke Ihnen, Jo. Ach ja, eine letzte Frage. Sie haben doch von der Einwohnerin von Arras gehört, die achtzehn Millionen im Lotto gewonnen hat?
Plötzlich werde ich misstrauisch: Ja.
Wenn Sie das wären, Jo, was würden Sie machen?
Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Sie fährt fort: Würden Sie Zehngoldfinger ausbauen? Würden Sie den einsamen Frauen helfen? Würden Sie eine Stiftung gründen?
Ich stammle: Ich, ich weiß nicht. Das … das ist nicht passiert. Außerdem bin ich keine Heilige, wissen Sie. Mein Leben ist einfach, und ich liebe es, wie es ist.
Jo, ich danke Ihnen.
P apa, ich habe achtzehn Millionen gewonnen.
Papa starrt mich an. Er traut seinen Ohren nicht. Sein Mund verzieht sich zu einem Lächeln. Das sich in ein Lachen verwandelt. Erst ein nervöses, dann siegt die Freude. Er wischt die kleinen Tränen ab, die aus seinen Augen perlen: Das ist wunderbar, mein Töchterchen, du musst sehr glücklich sein. Hast du es Maman gesagt?
Ja, ich habe es Maman gesagt.
Und was wirst du mit dem vielen Geld machen, Jocelyne, weißt du das schon?
Das ist das Problem, Papa, ich weiß es nicht.
Was heißt, du weißt es nicht? Jeder würde wissen, was er mit so viel Geld anstellen würde. Du kannst ein neues Leben haben.
Aber ich liebe mein Leben, Papa. Glaubst du, Jo würde mich immer noch so lieben, wie ich bin, wenn er es wüsste?
Bist du verheiratet?, fragt er mich.
Ich senke die Augen. Ich will nicht, dass er meine Traurigkeit sieht.
Hast du Kinder, mein Schatz? Wenn du welche hast, verwöhn sie; man verwöhnt seine Kinder nie genug. Verwöhne ich dich, Jo?
Ja, Papa, jeden Tag. Ja, das ist gut. Du bringst uns zum Lachen, Maman und mich; auch wenn du beim Monopoly schummelst und schwörst, dass du nichts gemacht hast, dass der Fünfhunderterschein die ganze Zeit in deinem Stapel von Fünfern lag. Maman ist glücklich mit dir. Jeden Abend, wenn du nach Hause kommst, in dem Moment, wo sie deinen Schlüssel im Schloss hört, macht sie eine sehr schöne Bewegung: Sie streicht eine Strähne zurück, die hinter ihrem Ohr hervorrutscht, und schaut ganz rasch in den Spiegel, sie will schön sein für dich. Sie will dein Geschenk sein. Sie will deine Schöne sein, deine Schöne des Herrn.
Glaubst du, deine Mutter kommt bald? Sie soll mir nämlich die Zeitung und
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