Alle Menschen sind sterblich
daß du bald die erste Schauspielerin von Paris sein wirst.»
Seine Stimme bebte, und eine Ecke seines Mundes zitterte nervös. Er war sehr bewegt. Sie sah hinten im Zuschauerraum den Sitz, den Fosca eben verlassen hatte. Hatte er, der sich erinnern konnte, diese Szene gesehen? Hatte er endlich begriffen, daß man sie nicht mit einer beliebigen anderen Frau in eine Reihe stellen durfte?
«Du bist sehr freundlich», sagte sie.
Und sie wurde sich bewußt, daß sie eine ganze Weile dagestanden hatte, ohne ein Wort zu reden.
Roger sah sie sehr prüfend und etwas beunruhigt an: «Bist du glücklich?» brachte er halblaut hervor.
«Aber ja», sagte sie.
«Du siehst so müde aus …»
«Das kommt von meinen Proben.»
Sie fühlte sich befangen unter seinem Blick; sie war es nicht mehr gewöhnt, mit dieser ins einzelne gehenden Aufmerksamkeit betrachtet zu werden.
«Findest du mich häßlich geworden?»
«Nein. Aber verändert», sagte er.
«Vielleicht.»
«Früher hättest du es nicht so hingenommen, daß ich sagte, du siehst verändert aus. Du warst so leidenschaftlich bemüht, dir selber gleich zu bleiben.»
«Ich habe mich eben verändert», sagte sie. Sie lächelte gezwungen. «Ich muß dir jetzt Lebewohl sagen, ich werde erwartet.»
Einen Augenblick lang behielt er ihre Hand.
«Sehen wir uns wieder? Wann?»
«Sobald du willst. Du brauchst nur anzurufen», sagte sie gleichgültig.
Vor der Tür des Theaters wartete Fosca auf sie.
«Entschuldigen Sie», sagte sie. «Ich wurde aufgehalten …»
«Entschuldigen Sie sich nicht. Ich warte gern …» antwortete er. Er lächelte. «Eine schöne Nacht. Wollen wir zu Fuß nach Hause gehen?»
«Nein. Ich bin zu müde.»
Sie stiegen in ein Taxi. Sie schwieg. Sie hätte gern gesehen, er hätte von sich aus etwas gesagt, aber während der ganzen Fahrt brachte er kein Wort hervor. Sie traten in ihr Zimmer, sie begann abzulegen, und er sagte noch immer nichts.
«Nun, Fosca», sagte sie, «sind Sie zufrieden mit dem Abend?»
«Ich sehe Sie immer gern spielen», sagte er.
«Aber habe ich auch gut gespielt?»
«Ich denke doch», sagte er.
«Sie denken», sagte sie. «Aber sicher sind Sie nicht?»
Er gab keine Antwort.
«Fosca, haben Sie früher die Rachel spielen sehen?»
«Ja.»
«Spielte sie besser als ich? Sehr viel besser als ich?»
Er zuckte die Achseln: «Ich weiß nicht.»
«Aber Sie müssen es wissen», sagte sie.
«Gut spielen, schlecht spielen, ich weiß nicht, was diese Ausdrücke bedeuten», sagte er ungeduldig.
Regine hatte das Gefühl, daß ihr Herz leer wurde.
«Fosca! Wachen Sie doch auf! Erinnern Sie sich doch! Es gab doch eine Zeit, wo Sie jeden Abend kamen, um mich zu sehen, und begeistert schienen … Einmal haben Sie sogar gesagt: Ich hätte weinen mögen.»
«Ja», sagte Fosca. Er lächelte auf eine nette Art. «Ich sehe Sie gern spielen.»
«Aber warum? Nicht, weil ich eben gut spiele?»
Fosca blickte sie mit einer Art Rührung an.
«Wenn Sie spielen», sagte er, «glauben Sie so leidenschaftlich an Ihre Existenz! Ich habe das bei zwei oder drei Frauen in der Anstalt gesehen; aber sie glaubten nur an sich. Für Sie sind auch die anderen da, und manchmal ist es Ihnen sogar geglückt, mich selber zum Existieren zu bringen.»
«Was?» rief Regine aus. «Das ist alles, was Sie an meiner Rosalinde, meiner Berenike gesehen haben? Das ist das ganze Talent, das Sie mir zuerkennen?» Sie biß sich auf die Lippen; am liebsten wäre sie in Tränen ausgebrochen.
«Das ist gar nicht so wenig», sagte Fosca. «Nicht jedem gelingt es, so zu tun, als existiere er.»
«Aber ich tue doch nicht so», rief sie verzweifelt aus. «Es ist doch wahr, ich existiere doch.»
«Oh! Da sind Sie selbst nicht gewiß. Sonst hätten Sie nicht so darauf gedrungen, daß ich Sie ins Theater begleite.»
«Ich bin vollkommen gewiß!» sagte sie beinahe wütend. «Ich existiere, ich habe Talent, ich werde eine große Schauspielerin werden. Und Sie sind einfach blind!»
Statt zu antworten, lächelte er.
«Ist es gut so?» fragte Annie.
Sorgfältig bettete sie schuppige Ananasscheiben auf Gebirge von Eis. Regine überflog mit dem Blick die Tafel. Alles war an seinem Platz: Früchte, Kristall, Pasteten, kleine, runde Brötchen.
«Mir scheint, es ist alles gut.»
Mit einer Gabel schlug sie rohe Eier und geschmolzene Schokolade. Floras Empfänge waren sorgfältig geplant, aber man konnte die Markenweine und die Petits Fours aus bekannten
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