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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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Juan; er zauderte noch, ich drängte ihn anzunehmen. Spanien mit seinen Karavellen hielt den Schlüssel der Welt in der Hand.
    «Aber niemals wird Philipp über Spanien herrschen. Don Juan ist jung und kräftig.»
    «Es sind auch manchmal schon junge und kräftige Männer gestorben.»
    Wir drangen Schritt für Schritt auf einem steilen Saumpfad vor, der nach frischem Gras und Tannennadeln roch.
    «Die Königin von Portugal», sagte Maximilian, «ist Johannas ältere Schwester, und sie hat einen Sohn.»
    «Auch diese können sterben, wenn Gott mit dem Haus Habsburg ist.»
    Maximilians Augen blitzten auf: «Gott ist mit dem Haus Habsburg!» sagte er.
    Sechs Monate nach seiner Heirat war der Infant gestorben, und eine geheimnisvolle Krankheit raffte die Königin von Portugal und den kleinen Don Miguel dahin. Als die Prinzessin Johanna einen Sohn gebar, stand kein Hindernis mehr zwischen diesem Kind und dem spanischen Thron. Ich beugte mich über die Wiege, in der der kümmerliche Neugeborene schrie, der bereits Erbe von Spanien und den Niederlanden, von Österreich, Burgund und den reichen italienischen Landen war. In seinen Spitzenwindeln roch er nach sauer gewordener Milch wie andere Säuglinge, und ein Druck meiner Finger hätte genügt, das Köpfchen zusammenzupressen.
    «Wir werden aus diesem Kind einen Kaiser machen», sagte ich.
    Eine Wolke zeigte sich auf Maximilians gleichmütiger Stirn: «Und wie?» sagte er. «Ich habe kein Geld.»
    «Wir werden welches erfinden.»
    «Können Sie gleich eines erfinden?»
    «Es ist noch zu früh.»
    Enttäuscht und betroffen sah er mich an: «Sie werden doch mit mir nach Italien kommen?»
    «Nein.»
    «Warum nicht? Glauben Sie nicht mehr an meinen Stern?»
    «Der Ruhm Ihres Hauses steht mir noch höher als der Ihrige», sagte ich. «Wenn Sie erlauben, werde ich bleiben und über dem Kind wachen.»
    «Bleiben Sie», sagte er. Lächelnd blickte er auf das Neugeborene.«Bringen Sie ihm bei, daß er nicht seinem Großvater gleichen darf.»
    Ich blieb im Palast zu Mecheln, während Maximilian ohne Erfolg die Fluren Italiens durchzog und vergeblich gegen die Schweizer stritt. Ich hatte sein Vertrauen gewonnen, er legte großen Wert auf meinen Rat, doch nützte mir das nicht viel, denn er befolgte ihn nicht. Ich hatte es aufgegeben, etwas von ihm zu erhoffen. Sein Sohn Philipp liebte mich nicht; seine Gesundheit war übrigens schwach, und es bestand nicht viel Aussicht, daß er regieren würde. Was die Prinzessin Johanna betraf, so zeigte sie Spuren von Exaltation, die ihre Umgebung beunruhigten. Alle meine Hoffnungen ruhten auf diesem Kind, dessen erste Schritte und erste Worte ich sorgfältig überwachte. Auch er war von schwacher Konstitution, Nervenkrisen warfen ihn manchmal auf den Boden. Mir allein gelang es, ihn zu beruhigen. Ich war immer um ihn, und er kannte kein anderes Gesetz als das Zucken meiner Brauen. Doch angstvoll fragte ich mich: Wird er lang genug leben? Was für ein Mann wird er sein? Wenn er stürbe oder mich haßte, müßte ich vielleicht für Jahrhunderte meine Pläne begraben.
    Die Jahre vergingen. Philipp starb. Johanna, deren Wahnsinn immer offenbarer wurde, lebte wie eingekerkert im Schloß von Tordesillas. Karl aber wuchs und gedieh. Von Tag zu Tag schienen meine Pläne weniger phantastisch; bei meinen Gängen durch die nebligen Straßen von Mecheln malte ich mir mit immer größerer Hoffnung das Bild der Zukunft aus. Ich liebte diese ruhige, melancholische Stadt. Wenn ich durch die Straßen ging, so sahen die Spitzenklöpplerinnen, die hinter den Fenstern mit den kleinen Scheiben über ihr Klöppelkissen gebeugt saßen, mir einen Augenblick nach; doch kannte niemand mein Geheimnis, niemand kannte mich; ich hatte mir einen Bart stehenlassen, und wenn ich in den Spiegel schaute, erkannte ich michselber kaum. Oft schritt ich über die Wälle und setzte mich ans Ufer des Kanals; ich blickte auf die Bilder, die fest in der Tiefe des Wassers standen, und begann zu träumen. Die Weisen des Jahrhunderts sagten, es sei die Zeit gekommen, wo die Menschen die Geheimnisse der Natur erkennen und sie beherrschen würden; dann würden sie beginnen, sich das Glück zu erobern. Ich dachte: Das wird mein Werk sein. Eines Tages muß ich die Welt in meinen Händen halten; dann wird keine Kraft mehr vergeudet, kein Reichtum verschwendet werden; ich werde die Zwietracht beenden, die unter den Völkern, den Rassen, den Religionen herrscht, ich werde ein Ende machen mit

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