Alle Menschen werden Schwestern
Lobe den Herrn oder >My gender, right or wrong<
Es gibt einen alten Spruch: My country, right or wrong. In dieser Untersuchung hat sich ergeben, daß das typische Männerporträt im Spiegel und im Stern einem ähnlichen Ethos verpflichtet ist. Nach dem Motto »My sex [i.e. the male sex], right or wrong« werden männliche Schandtaten und Unappetitlichkeiten mit einer für Frauen unverständlichen und kaum erträglichen Kritiklosigkeit nachgerade verherrlicht [s.o.]. Mindestens aber werden sie mit einem einverständlich-augenzwinkernden Schmunzeln verharmlost, wobei sich bekanntlich besonders der Spiegel stilistisch mächtig ins Zeug legt mit allerlei Anzüglich- und Schlüpfrigkeiten:
Kennedy: Vom ersten Amtstag an (ein 38-Minuten-Quickie mit der Schauspielerin Angie Dickinson, gefolgt von einem flotten Dreier zum festlichen Abschluß der Inauguration) [...] erfüllt das Thema Nummer eins das Weiße Haus mit prallem Leben.
[...] Selbst das Oval Office, Arbeitsraum der Präsidenten, sei nicht unbefleckt geblieben.
[...] Mitten in New York war ihm [einem Sicherheitsbeamten der lustwandelnde Kennedy abhanden gekommen.
[...] habe sich Kennedy besonders eindringlich um Hollywoodstars gekümmert [...] [m. H.] 143
Hemingway: Weiß Gott, er war »ein komplizierter Mensch« und gar kein netter Typ [...] ein rüder Ehegefährte und undankbarer Patron seinen Mentoren gegenüber […] 144
Die Zuchthäusler in San Quentin: Sie standen vor ihren Betten und masturbierten: One, two, one, two, hopp, hopp — wie Jungen in einem englischen [wieso englisch?] Internat, die ihre Potenz einsetzen, um die Obrigkeit herauszufordern.
Die war eine schöne schwarze Vollzugsbeamtin in grünem Uniformtuch und schwarzen Schnürstiefeln. 145
Die in solchen Zoten, »Herrenwitzen«, geschilderten Vorfälle und Zustände sind beleidigend, quälend, widerlich für die betroffenen Frauen, aber die Wortwahl verrät, daß gerade dies für die Erzähler lustvoll ist. Aus einem brutalen Ehemann wird in gespreiztkoketter Formulierung ein »rüder Ehegefährte«. Im Falle der San-Quentin-Geschichte wird die »schöne schwarze Vollzugsbeam- tin« nicht nur von den Gefangenen zur Wichsvorlage degradiert, sondern auch vom Autor Helmut Sorge, der ein SM-Ritual andeutet, sogar mit einer schwarzen Domina — echt geil!
Unsere Herrenkultur hat die klassische Figur des Lausbubs hervorgebracht, der sich rasant emporentwickelt zum charmanten Schwerenöter, Herzensbrecher, Don Juan. Das Wort Lausmädchen fehlt in unserer Sprache — für diese Figuren gibt es kein weibliches Pendant. Das richtige Mädchen hat artig, die richtige Frau folg- und sittsam zu sein.
Eine drei Seiten lange Anzeige der Firma Fuji, die ich in Bild der Frau 146 gefunden habe, zeigt uns auf der ersten Seite einen mit einer Kamera bewehrten und mit Spinat über und über bekleckerten Herrn. Die darauf folgende Doppelseite bringt »des Rätsels Lösung«: Der bös grinsende kleine »Lausbub«, stolz wie Oskar, hat alles mit Spinat eingemanscht, einschließlich des Erzeugers, der diese »köstliche Szene« für das Familienalbum festzuhalten sucht. — Eine Urszene, so scheint es mir jetzt nach der intensiven Beschäftigung mit dem Thema »Lobe den Herrn«. Eine Frau, normalerweise diejenige, die für die Sauberkeitserziehung der Spröß-linge zuständig ist, und diejenige, die den Dreck wegmachen muß — eine Frau sieht diese Szene mit völlig anderen Gefühlen, mit Ärger und Wut statt mit Stolz, während der Mann, das berühmte »Kind im Manne«, sich mit dem Sprößling identifiziert, der da frei und kühn seine spinatmanschende Lausbuben-Persönlichkeit entfaltet.
Die Frau in der Rolle der zu Ordnung und Sauberkeit erziehenden und mahnenden Mutter verkörpert dem Manne seit seiner Kindheit das störende, seine Freiheit einschränkende Gesetz. Die typische Heldentat besteht darin, das Gesetz zu übertreten:
Sie standen vor ihren Betten und masturbierten: One, two, one, two, hopp, hopp — [...] um die Obrigkeit herauszufordern.
Die war eine schöne schwarze Vollzugsbeamtin [...] 147
So wird der Mann zum Helden, egal, was er tut, right or wrong. Befolgt er die Gesetze, ist er o. k. — denn die meisten Gesetze sind ja doch von Männern gemacht. Befolgt er sie nicht, Übertritt er sie, ist er vielleicht noch bewundernswerter, jedenfalls so bewundernswert wie einst der Frechdachs, der kühn dem Gequengel der Mutter und sonstiger Autoritäten trotzte.
Und für die ganz
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