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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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sich um eine Mordermittlung handelt“, begann Xenia das Gespräch, die sich neben Zorn gestellt hatte und auffordernd von Braun zu Elena Kafka blickte. Braun taxierte Xenia unauffällig. Sie trug Jeans, Sneakers und ein weißes T-Shirt mit den Tigerengeln der letztjährigen Kollektion „Heaven can wait“ und hatte ihre langen blonden Haare mit einem Haarreifen nach hinten geschoben, um ihre kristallklaren Züge zu unterstreichen. Doch Braun ließ sich von dem Model Look nicht täuschen. Xenia war sicher noch weit unter dreißig, trotzdem hatten sich bereits zwei scharfe Falten von den Nasenflügeln bis zu ihrem Mund eingekerbt, die darauf hindeuteten, dass der Job als Pressesprecherin kein Honiglecken war.
    Obwohl sie Brauns Blick sofort gespürt hatte, ließ sich Xenia nichts anmerken, sondern lächelte betont entspannt. Doch dieses PR-Lächeln erreichte nicht ihre Augen, die vollkommen ohne Emotion waren.
    „Ein Glück, dass Sie Edgar Zorn heute hier erreichen!“, rief sie mit ihrer überdrehten Stimme, die Braun schon jetzt leicht nervte. „Wie Sie ja sicher wissen, pendelt Edgar ständig zwischen Moldawien und Österreich. Wir helfen der armen Bevölkerung dort, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen“, wiederholte sie fast wortgetreu den Text, den ihnen am Vormittag bereits Chiara vorgelesen hatte.
    „Weshalb ausgerechnet Moldawien?“, fragte Braun naiv. „Ich dachte, diese T-Shirts werden in Österreich produziert?“ Er deutete auf das Shirt von Xenia und wandte sich an Edgar Zorn, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte. „So jedenfalls steht das in Ihrer Werbung.“
    „Das ist natürlich richtig.“ Zorn lächelte gequält und strich sich nervös durch seine graue Mähne. „Aber in einer globalen Welt haben wir auch eine soziale Verantwortung.“ Seine Stimme wurde immer leiser und war schließlich nur noch ein heiseres Flüstern.
    Professionell sprang Xenia ein, als sie bemerkte, dass Zorn nicht mehr weiterwusste.
    „Deshalb errichten wir in den ärmsten Ländern unserer Erde Musterfabriken, die nach europäischen Standards betrieben werden und in denen die Mitarbeiter auch nach dem EU-Gehaltsschema entlohnt werden.“ Zorn verschränkte die Hände auf der Schreibtischplatte und stierte auf seine Fingerspitzen, während er flüsternd wieder den Faden aufnahm. „In diesen Fabriken werden die Rohmaterialien vorbereitet und dann hier in unserer Fabrik in Linz fertig verarbeitet. Außerdem unterstützen wir im Augenblick eine junge Klavierspielerin.“ Er verstummte und kratzte mit seinen langen Fingernägeln über die Schreibtischplatte.
    „Polina Porzikova ist ein musikalisches Genie aus Moldawien.“ Xenia strahlte über das ganze Gesicht und zum ersten Mal begannen ihre Augen zu leuchten. „Sie hatte einen schweren Arbeitsunfall in einer Fabrik.“ Xenia machte ein betrübtes Gesicht und Braun kam es so vor, als würde eine Träne über ihre Wange laufen. „Zwei Finger der linken Hand wurden ihr abgetrennt. Das ist natürlich eine Katastrophe für eine Pianistin. Wir haben sie in eine Spezialklinik hier in Linz gebracht und einen internationalen Spezialisten engagiert, der Polina wieder das Klavierspielen ermöglichen soll. Es gibt auch einen kurzen Film darüber.“
    Xenia stieß sich von dem Schreibtisch ab und schaltete einen Flatscreen ein, der an der Wand hing und den Braun bisher noch nicht bemerkt hatte. Das Mädchen in dem Video war wunderschön, lag mit einbandagierter Hand in einem Krankenbett und redete irgendetwas auf Russisch. Ihre Augen irrten panisch umher und Brauns Bauchgefühl sagte ihm, dass sie Angst hatte.
    „Der Film ist noch nicht synchronisiert“, entschuldige sich Xenia mit einem Lächeln. „Polina ist übrigens voll des Lobes über Red Zorn.“
    „Kommen wir zum eigentlichen Anlass unseres Besuchs“, würgte Elena Kafka leicht genervt die PR-Vorführung von Xenia ab. „Es geht um die beiden Mordfälle, die von den Medien als die ,Flammenkiller-Morde‘ bezeichnet werden. Deswegen sind wir auch hier.“
    „Natürlich sind Sie deswegen gekommen.“ Zorn nickte wie ein gehorsamer Schüler und hielt sich mit beiden Händen am Schreibtischrand fest. Braun bückte sich, um den Schnürsenkel eines Springerstiefels fester zu binden, und warf einen Blick auf Zorns Beine. Seine Hose war nach oben gerutscht und gab ein Stück seiner Wade frei, die bleich, dünn und vollkommen unbehaart an einen Hühnerknochen erinnerte. Aber es gab kein verräterisches Wippen,

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