Alle Orte, die man knicken kann
von mehreren Campingplätzen, Hotelreihen und Diskothekeneingeschlossen. Goldene Kammerpreismünze der Tourismusgenossenschaften für die «lauteste Stille des Landes».
Barcelona, Spanien: Hinkende Studienreisende in bemühter Bewunderung von Gaudí-Architektur. Zusammengefegte Markt-Reste als exklusive Häppchen in Tapas-Bars. Weltklasse: die Tricks der Diebe auf den Ramblas, die das Geld sogar aus den Socken wandernder Spaziergänger klauen.
Bath, England: Auch an schönen Tagen mausgrau, staubgrau, aschgrau, bleigrau, zementgrau. Getrübtes Wasser mit einem Schuss Kondensmilch wird hier «High Tea» genannt.
Belfast Lough, Irland: Der Blick über die Buch von Belfast war es, der den Autor James Joyce einst zum Auswandern trieb: grau, dunkel, verhangen, mit der Gewissheit, hier werde sich nie etwas ändern. Recht gehabt. Selbst hartgesottene Touristen erleben hier den Burn-out.
Benidorm, Spanien: Hochhäuser im Spalier. Empfohlen wird immerhin die dritte Reihe, denn die beiden Reihen davor wirken als Schallschutzmauern gegen den Autolärm. Chancen auf Meerblick ab 17. Stock aufwärts.
Bibione, Italien: Europäische Imker-Medaille für das echteste Bienenwabenfeeling in Hotels, «Schwarze Kamera» für die hässlichsten Postkarten der Adria.
Bodrum, Türkei: ehemals Standort eines der sieben Weltwunder, heute wichtige Kläranlage etwas oberhalb der Touristenstrände, beliebter Treffpunkt von Tankwagenfahrern.
Brügge, Belgien: Wer Neuschwanstein, Rothenburg ob der Tauber oder Heidelberg kennt, kann hier nicht geschockt werden. Es sind dieselben Leute, die sich durch Kirchen und auf den Turm quälen und die Spiegelungen im Kanal fotografieren. Günstige chinesische Klöppelarbeiten.
Cala Millor, Mallorca, Spanien: Höchste Dichte aufgedunsenerweiß-rosa Leiber in einem europäischen Badeort, Strand optimal in Auspuffhöhe des vorbeiziehenden Stop-and-go-Verkehrs.
Cala Ratjada, Mallorca, Spanien: Der letzte von der Meeresschutzorganisation Mare Mundi hier gesichtete Fisch (2007) ist ansprechend präpariert im nahen Museum ausgestellt. Taucher nehmen schon lange mit dem Anblick ihresgleichen vorlieb. Abschüsse mit Harpunen erlaubt.
Capri, Italien: An jedem Sommertag landen achtzehntausend Touristen und schieben sich durch die Gassen der kleinen Insel (ein Zehntel von Sylt). Highlight: zwei Stunden Wartezeit im Stau der Boote vor der Blauen Grotte, dann drei Minuten Reinschauen, macht dreißig Euro.
Cardigan Bay, Wales: Sandstrände, türkisfarbenes Wasser und schmackhafte Einleitungen direkt aus der walisischen Intensivlandwirtschaft.
Chersonissos, Griechenland: Top-Besäufnis-Stadt Kretas, Strand bestens geeignet zum Sammeln von Flaschen und Scherben, größte Dichte verstopfter Abflüsse in einer mittelmeerischen Stadt.
Coopers Hill, England: Einwohner und Berg gestanklich top. Als größter Spaß gilt hier, betrunken auf Käselaiben den Berg hinunterzurodeln. Mehr Spaß ist auch wirklich nicht zu holen.
Delphi, Griechenland: Eine gehbehinderte Orakelpriesterin sonderte hier einst Sprüche ab und erreichte knapp die Qualität heutiger Zeitschriftenhoroskope. Geblieben sind drei Säulen, eine ungezählte Schar von Skorpionen und ein überfüllter Busparkplatz.
Dublin, Irland: Slummige Einwandererstadt mit 200 000 Polen, 80 000 Chinesen, 40 000 Balten, 20 000 Nigerianern, diealle auf echt Irisch machen und kohlensäureloses Schwarzbier trinken. Erleichterung angesichts des Dauerregens: Es gibt sowieso nichts zu sehen.
Fátima, Portugal: Vor hundert Jahren Schauplatz einiger nebelhafter Marienerscheinungen nebst verblüffend präziser Prophezeiungen («es wird Auseinandersetzungen, aber auch Frieden geben»). Heute heftiger Imbiss- und Andenkenvertrieb.
Funchal, Madeira: Parks und Meerblicke für Rentner mit Rucksack und Walking-Sticks. Abends Rotwein-Schunkeln zu Live-Schlagern. Begrenzte Fluchtmöglichkeiten ( 750 km zum Festland).
Goldstrand, Bulgarien: Nostalgieurlaub wie im Sozialismus. Einzige kapitalistische Erneuerung: die Promenade als Schlepper-Spalier. Sonst alles wie vor dreißig Jahren. Auch die Party-Hotels. Abgesperrte Strandbereiche für Draufzahler.
Großglockner, Österreich: Neue Rekordbuch-Eintragung für «die meisten leeren Einwegverpackungen an einem europäischen Bergpfad». Gemeint ist der Normalweg ab Adlersruhe mit der muffigen Erzherzog-Johann-Hütte. Reiz auf den anderen Anstiegen: Wetterstürze,
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