Alle Rache Will Ewigkeit
Satellitentelefons verlor, als ihr der Rucksack hinunterfiel. Sie hatte nichts mehr außer ihrem Messer, das glücklicherweise in ihrer Jackentasche steckte.«
Lisa lachte und drohte Charlie mit dem Finger. »Apropos nach Strohhalmen greifen. Alle möglichen Leute haben Schweizer Messer oder so etwas Ähnliches in der Tasche, wenn sie wandern gehen. Das ist ja wohl kaum verdächtig.«
»Ich habe ja nicht gesagt, dass es verdächtig ist. Ich sagte, es könnte auf etwas hindeuten. So würde man vorgehen, wenn man plante, einen Unfall in Szene zu setzen.«
Lisa schüttelte nachsichtig den Kopf. »Ich fange an, mich zu fragen, ob dich das Detektivspielen vielleicht durcheinandergebracht hat.«
Ein kurzes trauriges Lächeln huschte über Charlies Gesicht. »Du warst diejenige, die das verursacht hat, Lisa.«
Lisa legte ihr eine Hand auf den Arm. »Und du weißt auch, dass das keine Einbahnstraße ist, Charlie. Das weißt du.« Ihre Stimme war leise und verlockend, und obwohl Charlie sich vorgenommen hatte, gelassen zu bleiben, prickelte ihre Haut. Marias Anblick, die mit einem Kristallglas mit Brandy in der Hand aus der Bar kam, war ihre Rettung. Lisa ließ ihre Hand anstandslos heruntergleiten und trat zurück.
»Ich habe Nadja gesagt, dass Sie gleich kommen«, erklärte Maria, schob ihren freien Arm unter den Charlies und führte sie zum Aufzug. »Gute Nacht, Lisa.«
Als sich die Aufzugtüren schlossen, kicherte Maria. »Nadjas Gesicht lässt darauf schließen, dass ein Gewitter aufzieht. Sie hat es nicht so gern, dass man sie allein in einer vollen Bar sitzen lässt, nicht wenn sie meint, sie sei die Trophäenfreundin.«
»Glaubt sie das wirklich?« Charlie konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
»Ich denke schon. Ja, so ist es, wenn man jung ist und voller Illusionen. Aber sie sollte sich in Acht nehmen.«
»Nadja? Warum?«
»Diese Lisa. Mit der sollte man sich besser nicht einlassen.«
Gescheite Maria, dachte Charlie. Vielleicht sollten wir den Beruf tauschen. »Na ja, wir werden die beiden wahrscheinlich nie wiedersehen müssen.«
Und so war der Abend zu Ende gegangen. Sie waren ins Bett gefallen, noch zu gesättigt, um irgendetwas anderes zu tun als schlafen. Als Charlie mit einem klaren Kopf aufwachte und die Aussicht vor sich hatte, Jays Buch zu Ende zu lesen, begann sie endlich zu verstehen, wie sie die Dinge auf die Reihe bekommen könnte.
6
U m zehn waren sie bereits unterwegs. Als wolle es ihnen den Abschied leichter machen, war das Wetter umgeschlagen. Nebel und Regen lagen als grauer Schleier über der Landschaft und verwandelten die Cuillin Hills in eine in der Ferne aufragende, unbestimmt drohende Kulisse. »Nick ist morgen im Gericht. Ich glaube, ich sollte nach London runterfahren und mit ihm sprechen«, sagte Charlie düster, während sie über das Meer zurück zum Festland fuhren. »Wir müssen eine Entscheidung treffen, wie viel weiter wir in der Sache gehen können. Und was wir mit unseren erbärmlichen Entdeckungen machen. Nicht viel, fürchte ich.«
»Es war aber doch nicht alles umsonst«, sagte Maria. »Du hast den Kontakt mit Corinna und Magda wiederhergestellt. Und wir hatten ein wundervolles Wochenende auf Skye.« Sie nahm eine Hand vom Steuer, um Charlies Oberschenkel zu tätscheln. »Und es hat dich von dem anderen Zeug abgelenkt. Seit einiger Zeit hast du dich zum ersten Mal von dem befreit, was dich bedrückt.«
»Vielleicht sollte ich anfangen, es als alternative Therapie anzubieten«, sagte Charlie trocken. »In eine sinnlose Unternehmung eintauchen. Perfekt, um sich von dem, was einen bedrückt, abzulenken. Aber jetzt gib Gas und widme dich dem Fahren. Ich werde noch tiefer eintauchen.« Sie zog
Ohne Reue
aus ihrer Tasche und suchte die Stelle, an der sie stehengeblieben war.
Wenn ich später meine Mutter fragte, warum wir zu Blair Andreson ins große Zelt in Sunderland gegangen waren, gab sie immer die gleiche Antwort: Weil Gott uns gerufen hat. Das ist wahrscheinlich so weit von der Wahrheit entfernt wie nur möglich.
Zu der Zeit, als der amerikanische evangelikale Prediger Blair Andreson 1984 seinen Kreuzzug durch Großbritannien begann, war unser Leben an einem absoluten Tiefpunkt angekommen. Wir lebten in einem armseligen Wohnwagenlager am Rand einer der großen Städte in Teesside. Ich bin nicht einmal sicher, welcher. Die Polizei und die Ortsansässigen führten einen unablässigen Zermürbungskrieg gegen uns. Ich kann nicht sagen, dass ich ihnen das vorwerfe.
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