Alle Rache Will Ewigkeit

noch etwas aufzuspüren gibt.« Sanft nahm sie Lisas Hand von ihrem Arm. »Da ist jemand anderes für dich, Lisa«, sagte sie, war sich der Zweideutigkeit bewusst und zufrieden damit.
     
    Als Charlie zur Bushaltestelle zurückging, lag in ihren Schritten eine neue Energie. Laut Fahrplan musste sie nur zehn Minuten auf einen Bus warten, mit dem sie in die Nähe des Bahnhofs fahren konnte. Heute Abend würde sie zurück in Manchester sein und könnte sich direkt morgen früh in den Nordosten aufmachen. Vielleicht konnte sie die Suche im Archiv der Lokalzeitung durch Nicks Mithilfe abkürzen.
    Sie zog ihr Handy heraus und wählte seine Mobilnummer. Sie wurde direkt zur Sprachbox durchgestellt, wie sie schon halb erwartet hatte. »Hi, Nick. Hier ist Charlie«, sagte sie. »Ich habe gerade mit Lisa Kent gesprochen, einer Freundin von mir, die Jay von früher flüchtig kennt. Und sie sagte etwas über Jays Mutter, das in meinem Kopf einen Gedanken angestoßen hat. Was wäre, wenn Jess nicht die Erste gewesen wäre? Was, wenn sie noch früher angefangen hätte? Was, wenn Jenna ihr erstes Opfer gewesen wäre? Ich weiß, es hört sich verrückt an, und jetzt werd ich gleich abgeschnitten … Ach Mist«, sagte Charlie, als die Sprachbox abschaltete. Sie rief sofort noch einmal an. »Ich bin’s noch mal. 1990 , Jenna Calder hieß sie, nachdem sie geheiratet hatte. Sie wurde als vermisst gemeldet. Roker in Sunderland. Ich fahre gleich morgen früh da rauf, mal sehen, was ich ausgraben kann. Es wäre toll, wenn du einen deiner Kollegen dort bitten könntest, mir die Akte zugänglich zu machen. Ruf mich morgen früh an, ich erkläre es dir dann genauer. Danke, Nick.« Diesmal wurde sie vor dem abschließenden Piepston fertig. Dann fiel ihr ein, dass sie noch eine Nachricht für Nick hatte, die sie ihm umgehend mitteilen wollte. Zum dritten Mal wählte sie seine Nummer. »Noch mal ich. Nur um dir zu sagen, dass ich glaube, ich habe Corinna von Jays Unschuld überzeugt. Zumindest habe ich genug Zweifel bei ihr geweckt, dass sie nichts Dummes unternehmen wird. Jetzt fahre ich nach Manchester zurück und verspreche, dich in Frieden zu lassen.«
    Charlie steckte ihr Handy weg. Sie fragte sich, was sie in Roker vorfinden würde. Es schien ihr kein sehr wahrscheinlicher Ort für ihre Rettung zu sein.

11
    D er Anruf am Morgen hatte Jay den Tag ziemlich verdorben, aber bis zum Ende des Nachmittags hatte sie sich fast erholt. Die Aussicht, Magda zu sehen, wirkte sich in der Regel sehr positiv aus. Aber ihre Gefühle waren komplizierter als gewöhnlich. Natürlich konnte sie Corinnas Nachforschungen zu ihrer Vergangenheit nicht einfach ignorieren. Denn es hieß zwangsläufig, dass Magda mit heiklen Einzelheiten von damals konfrontiert werden würde. Theoretisch konnte Jay warten, bis sie sich gezwungen sah, sich zu verteidigen, aber nur zu reagieren war nie so wirksam wie eine Enthüllung im Vorfeld. Es wäre besser, wenn Magda zuerst Jays Version hörte statt Corinnas. Aber sie wollte den Moment bewusst wählen. In romantischer Umgebung, bei gutem Essen und Wein und keine Pläne am nächsten Morgen, die einen zum Aufstehen zwangen. So musste sie an die Sache herangehen.
    Aber der Luxus, ihre Wahl frei treffen zu können, wurde ihr genommen, als sie sich gerade bereitmachte, das Büro zu verlassen. Ihr privates Handy meldete sich und zeigte ihr eine SMS an. Da sie erwartete, sie werde von Magda sein, griff sie eifrig nach dem Telefon. Doch statt Magdas leuchtete der Name auf dem Display, den sie als allerletzten sehen wollte. Unter dem gefürchteten Namen standen die einleitenden Worte der SMS :
Charlie Flint gibt nicht auf. Morgen wird sie …
Ungeduldig rief Jay die komplette Nachricht auf:
Morgen wird sie nach Roker fahren. Und wir wissen ja beide, was sie da finden kann, oder? Ist es an der Zeit, sich darum zu kümmern?
    Jay starrte das Display an, als könnte sie mit ihrem Blick die Worte in etwas Harmloses verwandeln. Es war zu spät für behutsame Pläne. Es musste heute Abend sein. Kein Sekt, um zu feiern, dass sie das Umzugsunternehmen bestellt hatte, keine freudigen Überlegungen zur Platzeinteilung im Kleiderschrank und auf den Bücherregalen. Egal wie behutsam Jay die Version ihrer Lebensgeschichte abfasste, die sie Magda erzählen wollte, es würde ihre Beziehung tiefgreifend verändern. Wenn sie nicht den richtigen Ton traf, konnte es leicht passieren, dass sie morgen früh die Möbelpacker wieder abbestellen musste, die