Alle Rache Will Ewigkeit
Konnte man sie nicht einfach in Ruhe ihr Leben weiterleben lassen? Warum musste sie sich vor den anderen rechtfertigen? Sie brauchte nicht lange zu grübeln. Die Antwort lag auf der Hand. Weil sie die große Schwester war. Ihr Leben hatte nie ihr allein gehört. Sie hatte sich daran gewöhnen müssen, von morgens bis abends neugierige Fragen zu beantworten, und ihre Geschwister hatten sich daran gewöhnt, immer eine Antwort zu bekommen. Daraus war eine Art Gewohnheitsrecht geworden. »Ich glaube, ich war schon immer lesbisch«, antwortete sie langsam. »Aber ich konnte es nicht zugeben. Am wenigsten vor mir selbst.«
»Aber warum nicht? Wir leben im 21 . Jahrhundert, Magda. Du kannst sogar heiraten.«
»Es hat lange gedauert, bis ich es endlich verstanden hatte, Wheelie. Du weißt doch, wie man als Teenager so ist. Man verknallt sich in Lehrer, in andere Mädels, in Schauspielerinnen, in wen auch immer. Es ist also nichts Ungewöhnliches daran, wenn man sich in die beste Freundin verliebt, solange man das ungeschriebene Gesetz befolgt, nicht darüber zu reden. Man übernachtet bei der Freundin, kuschelt sich zusammen unter die Decke und quatscht bis zum Morgengrauen, aber das Thema Gefühle wird nicht angeschnitten. Irgendwann fängst du dann an, mit Jungs auszugehen, weil man das eben so macht. Du schwimmst mit dem Strom, obwohl deine Gefühle für deine beste Freundin die gleichen geblieben sind. Erst jetzt wird dir klar, dass man darüber auf keinen Fall spricht.« Magda geriet ins Stocken und war unsicher, wie sie fortfahren sollte.
»Ja, das ist alles klar. Außer der Sache mit den Gefühlen, die gleich bleiben. Ich habe mich nicht mehr so gefühlt, als ich anfing, Jungs zu küssen.«
Magda lächelte gequält. »Jetzt verstehe ich die Zusammenhänge, damals tat ich es nicht. Ich dachte, es sei einfach so, weil es so sein musste. Und ich hatte ja bei alldem noch Glück. Die Jungs, mit denen ich ausging, waren alle nette, anständige Kerle.«
»Na ja, du konntest sie dir aussuchen, weil du so hübsch bist«, stichelte Catherine und zog eine Grimasse.
»Wie auch immer. Auf jeden Fall hatte ich bei ihnen keinen Liebeskummer, so wie ich ihn von Mädchen her kannte. Bei den Jungen hatte ich keine Schmetterlinge im Bauch oder zählte die Stunden, bis ich sie wiedersehen würde. Aber sie waren freundlich zu mir, und ihre Gesellschaft war mir nicht unangenehm. Es war einfacher, mich der Masse anzupassen, Wheelie.« Sie strich sich eine Haarlocke aus dem Gesicht, warf einen Blick in den Rückspiegel und wechselte die Fahrbahn.
»Warum war es dir so wichtig, dich der breiten Masse anzupassen?«
»Mein Gott … aus allen möglichen Gründen. Ich wollte Kinderärztin werden und war viel zu sehr mit meiner Arbeit beschäftigt, um mich mit irgendwelchen komplizierten emotionalen Problemen herumzuschlagen. Außerdem wollte ich zu Hause keinen Ärger verursachen. Es hatte so lange schon zwischen Mum und Dad gekriselt, dass ich nicht noch mehr Streit ins Haus tragen wollte. Und ich sollte doch immer das große Vorbild für euch alle sein. Ich wollte nicht zu einer Ausgestoßenen werden, Wheelie.« Sie seufzte. »Das mag jetzt alles sehr dumm klingen, aber damals war es mir wichtig.«
»Dann hast du also Philip geheiratet, um den Frieden nicht zu stören?«, fragte Catherine skeptisch. Magda konnte ihr das nicht verübeln.
»Es war kein klarer Plan«, protestierte Magda. »Ich war überzeugt, dass ich ihn liebte, und ich mochte ihn auch wirklich, Wheelie. Wir kamen gut miteinander aus, und ich war sehr gerne mit ihm zusammen.«
»Und was war mit Sex? Hast du etwa nicht gemerkt, dass es nicht so das Wahre für dich war? Besser gesagt, hat er es nicht gemerkt?«
Magda zuckte ein wenig zusammen. »Nur keine unnötige Zurückhaltung, so wie immer. Hör zu, der Sex war in Ordnung. Ich werde jetzt nicht ins Detail gehen, denn es geht dich nichts an. Ich habe Philip bewusst geheiratet. Ich wusste, dass es zwischen uns funktionieren würde. Es war mir nicht so wichtig, dass es nicht die ganz große Leidenschaft war. Ehrlich gesagt, werden solche Sachen auch immer überbewertet. Wenn ich mir anschaue, was aus den Ehen meiner Freundinnen geworden ist.«
Catherine stieß einen leisen Pfiff aus. »Dann hast du Jay getroffen.« Sie kicherte wild drauflos. »Und dann rappelte es im Karton. Die Glücksgöttin meint es offenbar gut mit dir. Jetzt hast du deine große Leidenschaft doch noch bekommen.«
»Du kannst mich mal,
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