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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Kletterunfall davongetragen hatte, der Kathy Lipson das Leben gekostet hatte, waren nur minimal gewesen. Ein Bänderriss, der Anflug einer Unterkühlung und starke Rückenschmerzen. Kein Drama. Aber im Lauf der Jahre hatte sich gezeigt, dass der Schaden ihre angeborene neurologische Anfälligkeit verstärkte. Jetzt fehlte ihren Fingern die nötige Kraft zum Festhalten, und auf Knie und Zehen war nicht mehr genug Verlass. Für eine Bergsteigerin war das untragbar, und somit war ihr nun die einzige sportliche Aktivität verwehrt, in der sie jemals einen Sinn gesehen hatte.
    Heute versuchte sie es mit Walking. Das bot zwar keine ernsthafte Herausforderung, aber die Rhythmik half ihr, sich zu konzentrieren. Sie liebte es, am Themse-Ufer entlangzugehen, den Fluss auf der einen und den Verkehr auf der anderen Seite. Hier entwarf sie in Gedanken ihre Geschäftspläne, löste Probleme und entwickelte Strategien für den Umgang mit ihren Geschäftspartnern. Auch an ihrem Buchprojekt konnte sie hier weiterarbeiten. Sie überlegte, wie ihre Erinnerungen aufzubereiten waren, damit sie sich sinnvoll aneinanderfügten. Sie formulierte, verwarf einiges wieder und brachte Wirres, Fragmentarisches in eine ansprechende Form.
    Nun musste sie sich unweigerlich dem Thema Corinna zuwenden. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, sich diesem Aspekt zu widmen, ohne auf das einzugehen, was zwischen Magdas Mutter und ihr passiert war. Eigentlich wäre es leichter, diese Episode ganz auszuklammern, denn egal was Jay schrieb, es würde eine unangenehme Situation zwischen ihr und Magda heraufbeschwören. Es musste also so dargestellt werden, dass alle damit leben konnten, und das würde nicht leicht werden.
    Jay durchquerte das Gewirr von kleinen Straßen, das sie zum Chelsea Physic Garden brachte. Wenn sie sich mit einem besonders hartnäckigen Problem herumschlagen musste, ging sie manchmal vom Chelsea Embankment bis Blackfriars oder sogar noch weiter. Aber seit Magda so viel Platz in ihrem Leben einnahm, war die Zeit, die ihr zum Schreiben blieb, kostbar geworden. Deshalb konnte sie es sich nicht leisten, sich allzu lange vom Rechner zu entfernen.
    Zügigen Schrittes folgte sie also ihren gewohnten Trampelpfaden und achtete dabei nicht besonders auf ihre Umgebung. Krachend biss sie in einen Apfel und passte den Kaurhythmus ihren schnellen Schritten an. Sie musste so viel wie möglich von der Wahrheit preisgeben und trotzdem ihre dunkle Seite und ihre wahren Reaktionen verbergen.
    Sie ging die Sätze in Gedanken durch und hoffte, zu einer akzeptablen Lösung gekommen zu sein. Ihre Augen leuchteten auf, als sie sich wieder Richtung Heimat wandte und das Tempo beschleunigte. Denn jetzt war sie gespannt, ob es funktionierte.
    Nicht alles in meinem Studium lief so reibungslos wie mein Aufstieg zur JCR -Vorsitzenden. Die hässlichen Gerüchte, die Jess aufgebracht hatte, waren nicht mit ihr gestorben. Man begann, über mich zu reden. Zeitweise hatte ich das Gefühl, als hätte es nie so etwas wie eine feministische Revolution gegeben.
    Wenn man das heute liest, könnte man mich durchaus für paranoid halten oder vermuten, ich redete von 1973 und nicht 1993 . In der Öffentlichkeit draußen gab es Tennisspielerinnen, Schauspielerinnen und Schriftstellerinnen, die offen lesbisch waren. Die Oxford-Gemeinde hingegen war noch in höchstem Maße homophob, auch wenn man gerne das Gegenteil behauptete. Oxford-Graduierte wandten sich meist Karrieren zu, in denen man die Gleichstellung der Geschlechter mit höflicher Skepsis betrachtete, und das Thema Homosexualität war gar nicht existent. Niemand wollte auch nur mit Homosexuellen oder Lesben in Verbindung gebracht werden.
    Und doch wollte ich einerseits glauben, ich könnte anders sein. Als ich erst einmal die Position der JCR -Vorsitzenden innehatte, weigerte ich mich einfach, mir ständig weiter Sorgen um dieses Thema zu machen. Ich hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, mich zu outen, aber da hatte Louise ein striktes Veto eingelegt. Hätte ich das getan, wäre es unvermeidbar auch zu Konsequenzen für Louise gekommen. Im Gegensatz zu mir hatte sie noch eine sehr starke Bindung zu ihren Eltern und kam nicht über die strikten moralischen Prinzipien ihres katholischen Elternhauses hinweg. Lesbisch zu sein wäre in Louises Familie einer Todsünde gleichgekommen, und das wollte sie nicht auf sich nehmen.
    »Für dich mag das ja in Ordnung sein. Du bist lesbisch, und du bist dir da hundertprozentig sicher. Ich

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