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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Wheelie!«, stieß Magda ungerührt hervor. »Jetzt bin ich mal mit Fragen dran.«
    Catherine zog die Augenbrauen hoch. »Schieß los, Schwesterchen.«
    »Da du in Sachen Intimsphäre anderer Leute keine Zurückhaltung kennst, wie kommt es dann, dass du mir diese Fragen erst jetzt stellst?«

3
    J ay lächelte in sich hinein. Durch den Erfolg ihres ersten Buches hatte sie gelernt, dass sie dicht an der klassischen Romanstruktur bleiben musste. So ließ sich die Leserschaft am besten in den Bann ziehen. Spannende Situationen am Ende der Kapitel und kleine Hinweise auf das, was noch passieren wird, machten sich bezahlt und fesselten den Leser ans Buch. Sie hatte zunächst davor zurückgeschreckt, sich mit bestimmten Teilen ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, aber langsam wurde sie warm mit der Sache, und dass die Geschichte Gestalt annahm, bescherte ihr ein überraschend gutes Gefühl. Der Prozess gehörte nun der Vergangenheit an, und sie hatte Zeit, sich ernsthaft zu konzentrieren. Die Gerichtsverhandlung hatte sie doch mehr gestresst, als sie sich hatte eingestehen wollen.
    Jetzt grübelte sie darüber nach, wie es wohl um ihren Stresslevel gestanden hatte, nachdem Jess gestorben war. Damals hatte sie sich zusammengerissen und getan, was getan werden musste. Die Geschichte hatte sie wohl doch ziemlich mitgenommen. Das musste sie jetzt beim Schreiben im Hinterkopf behalten. Es konnte schließlich nicht schaden, ein bisschen Verletzlichkeit zu zeigen und anzudeuten, wie sie ihren Kummer überwand.
    Ich saß gerade alleine beim Frühstück in der Mensa, als die Nachricht zu mir vordrang. Entgegen Jess’ gemeiner Bemerkung gab es eine feste Abmachung zwischen mir und Louise, niemals zusammen zum Frühstück zu erscheinen.
    Allerdings kam es öfters vor, dass wir uns zusammensetzten, wie Zimmernachbarinnen es nun mal tun. Aber an diesem Morgen war Louise noch nicht da. Ich hatte mich absichtlich mit Blick zum Eingang plaziert. Nach den Drohungen des gestrigen Tages wollte ich vermeiden, dass Jess sich unbemerkt an mich heranschleichen konnte.
    Das Gerücht breitete sich vom anderen Ende des Saales her aus. Es wurde von ein paar mitgenommen aussehenden Mitgliedern des Ruderclubs in Umlauf gebracht. Normalerweise waren sie immer die Ersten beim Frühstück, da sie die Kalorien, die sie beim Frühtraining verbraucht hatten, gleich wieder hineinschaufeln mussten. An diesem Tag hatten sie sich verspätet. Und Jess fehlte in ihren Reihen.
    Plötzlich wurde es unruhig im Saal. In den Gängen zwischen den Tischreihen bildeten sich kleine Grüppchen. »Jess Edwards ist tot«, sagte schließlich schockiert und fassungslos eine Kommilitonin, die ein paar Plätze weiter saß. Die Gabel fiel mir aus der Hand.
    »Jess?«, platzte ich heraus. »Jess Edwards?«
    Meine Mitstudentin von schräg gegenüber bestätigte es. »Ich hab’s gerade drüben an der Essensausgabe gehört.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Rudergruppe. Die Sportlerinnen saßen dicht zusammengedrängt über ihren Kaffeetassen. »Die haben sie gefunden.«
    »Das ist ja furchtbar! Was ist denn passiert?«, nahm mir eine Studienkollegin die Worte aus dem Mund.
    »Man weiß noch nichts Genaues«, antwortete die informierte Kommilitonin. »Man hat sie im Fluss gefunden. Mit dem Gesicht nach unten. Drüben hinter der Grasfläche, beim Bootshaus. Sie hatte sich im Schilf verfangen. Sie ließen wohl gerade das Boot zu Wasser, als sie ihre Beine bemerkten.«
    »Oh mein Gott! Das muss ja ein schrecklicher Anblick gewesen sein. Ich kann das gar nicht glauben«, brachte ich entsetzt hervor. Die unterschiedlichsten Emotionen brodelten in mir. Der plötzliche Tod einer Altersgenossin aus meinem Umfeld war bestürzend. Ganz egal wie heftig die Auseinandersetzung zwischen uns gewesen war, wir waren uns ähnlich. Jess und ich waren am gleichen Punkt unseres Lebens. Und ich erlebte die furchtbare Tragödie ihres Todes. Ich müsste jedoch lügen, wenn ich nicht eingestehen würde, dass ich auch ein gewisses Gefühl der Erleichterung verspürte. Jess war tot, und ich war gerettet. Selbst wenn Jess’ Anhänger von ihrer Hetzkampagne wussten, so würden sie doch zu betroffen durch das schreckliche Ereignis sein, um es auszunutzen.
    Abrupt schob ich meinen Stuhl laut über den Boden schrappend zurück und erhob mich. »Das ist zu viel für mich.« Wie in Trance verließ ich den Speisesaal.
    Mein Weg führte mich unvermeidlich aus dem Sackville Gebäude hinaus in die Gärten.

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