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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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bin es nicht. Ich weiß nur, dass ich dich liebe, aber das heißt noch lange nicht, dass ich genauso bin wie du«, hatte sie mir in einem vertraulichen Moment zugeflüstert.
    Ich hielt mich also zurück. Wenn ich das Gerücht nur lange genug ignorierte, würden meine Mitstudentinnen bald ein interessanteres Gesprächsthema finden.
    Damals war ich noch sehr naiv. Ich konnte mir nicht vorstellen, welch großen Schaden üble Nachrede anrichten kann. Es hatte scheinbar harmlos begonnen. Am Wahltag hinterließ ich Corinna wie üblich eine kurze Nachricht in ihrem Fach, dass ich sie später wie gewöhnlich auf einen Drink treffen würde. Ich wollte meinen Sieg feiern, und trotz meiner innigen Beziehung zu Louise war es mir wichtig, meinen Ruhm mit Corinna zu teilen.
    Bevor ich mich auf den Weg zu unserem Treffen machte, überprüfte ich gewohnheitsmäßig mein Fach und fand eine Antwort von Corinna. »Liebe Jay, heute Abend wird es leider nichts. Henrys Mutter hat ihren Besuch angedroht. Ich kann also nicht weg. Entschuldige, bitte. Corinna«
    Ich war enttäuscht, aber nicht besonders betrübt. Es war nicht das erste Mal, dass eine von uns beiden absagen musste. Wir konnten das ja ein anderes Mal nachholen, dachte ich mir.
    Aber da hatte ich mich getäuscht. Am nächsten Tag war eine weitere Nachricht von Corinna da: »Liebe Jay, da Henrys Mutter hier ist, brauche ich dich am kommenden Freitag nicht zum Babysitten. Du hast ja bestimmt ohnehin genug um die Ohren. Corinna«. Das ärgerte mich ein bisschen. Das Zubrot durch Babysitting war in meinem mageren Etat schließlich mehr als willkommen. Allerdings wusste ich, dass Corinnas Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter kompliziert war und Dorothy mit Sicherheit beleidigt gewesen wäre, wenn ich als Babysitter aufgetaucht wäre, um mich um die Kinder zu kümmern, während sie da war.
    Also wartete ich auf eine weitere Nachricht von Corinna, mit den Koordinaten für ein neues Treffen. In diesem Semester belegte ich keine Kurse bei ihr, und wir kommunizierten meistens durch kleine Zettel, die wir uns in die Fächer legten. Ich wartete vergebens. Zwei Wochen waren seit ihrer Absage ins Land gezogen. Doch meine Beziehung zu Louise war noch so frisch und faszinierend, meine neue Tätigkeit als JCR -Vorsitzende so arbeitsintensiv, dass ich kaum merkte, wie die Zeit verging.
    Eines Nachmittags musste ich zu einem Treffen der JCR -Vorsitzenden, das im St. John’s College stattfand. Das Meeting war kürzer, als ich erwartet hatte, und da Corinna nur fünf Minuten entfernt wohnte, beschloss ich, dort zum Tee hereinzuschneien.
    Corinnas Wagen stand in der Einfahrt, und durch die erleuchteten Fenster im Erdgeschoss konnte ich sehen, dass die Kinder zu Hause waren. Ich ging um das Haus herum zur Seitentür und lehnte wie gewöhnlich mein Fahrrad an die Hauswand. Dann klingelte ich kurz und ergriff die Türklinke, um einzutreten. Zu meiner Überraschung war abgeschlossen. Ich kam schon lange in dieses Haus, und noch nie war am helllichten Tag die Tür abgeschlossen gewesen.
    Ich runzelte die Stirn und fühlte mich rüde zurückgestoßen. Es waren Schritte auf der Treppe zu hören, und wenige Augenblicke später schwang die Tür auf. Corinna stand mir mit besorgter Miene gegenüber, hinter ihr konnte ich Patrick auf der Treppe erkennen. »Oh Jay!«, rief Corinna gehetzt. »Da hast du aber einen ungünstigen Moment erwischt. Wir sind gerade auf dem Sprung.«
    »Sind wir nicht«, widersprach Patrick. »Du hast doch gerade eine Pastete im Ofen.«
    Corinna errötete und bedachte Patrick mit einem strengen Blick, nach dem er die Treppe ins Untergeschoss hinunterlief. »Die ist für Henry«, sagte sie ärgerlich, offenbar etwas durcheinander. Mit einem Gesichtsausdruck, den ich noch nie an ihr gesehen hatte, atmete sie tief ein. Es machte mich betroffen, wie angestrengt und künstlich ihr Lächeln anmutete und wie starr ihre Augen gleichzeitig dreinblickten. »Entschuldige. Ein andermal, ja?«
    Sie schlug mir die Tür vor der Nase zu. Es fühlte sich so demütigend an, als hätte sie mich geohrfeigt. Meine Knie zitterten, und Tränen traten mir in die Augen. Diese kalte Zurückweisung verwirrte mich zutiefst. Für mehr als ein Jahr waren Corinna und ihre Kinder meine Familie gewesen. Ich hatte mich bei ihnen zu Hause gefühlt. Corinna hatte mir ihre Kinder anvertraut, mich an ihren Nöten und Träumen teilnehmen lassen, und ich hatte es ihr gegenüber genauso gehalten. Und jetzt wurde ich

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