Alle Rache Will Ewigkeit
hatte das Gutachten in Auftrag gegeben. Technisch gehörte das Ergebnis ihnen. Was mich betraf, so war ich fertig mit Bill Hopton. Das war mir nicht unrecht, denn er war ein ganz besonders unangenehmer und hinterhältiger Zeitgenosse.
Nach einigen Monaten hatte ich den Mord in Leicester bereits komplett vergessen. Eines Morgens auf dem Weg in den Hörsaal bekam ich dann von einem Justizbeamten eine Vorladung überreicht. Ob ich wollte oder nicht, ich musste als Zeugin der Verteidigung für Bill Hopton aussagen. Ich wusste, dass der Fall auf wackeligen Beinen stand, und war deshalb nicht gerade glücklich über den Schrieb. Die Leute denken heutzutage oft, dass es bei solchen Fällen wie in
CSI
zugeht, aber so einfach und reibungslos funktioniert das in der Realität leider selten. Das Opfer war entkleidet und in einen Teich geworfen worden. Spuren waren also kaum zu finden.
Bill Hopton war in der Nähe des Arbeitsplatzes des Opfers beobachtet worden. Man konnte ihn anhand der Aufnahmen einer Überwachungskamera vor Ort ganz deutlich identifizieren. Die Verteidigung argumentierte, dass er lediglich gerne auf diesem Platz herumsaß, weil er das WLAN eines dort ansässigen Cafés anzapfen konnte, um kostenlos im Internet zu surfen.« Charlie nahm ihre Finger zu Hilfe, um die einzelnen Punkte durchzugehen. »Die Mordwaffe war ein Radkreuz von einem Vauxhall und passte zu dem Modell, das Hopton fuhr. Bei seinem Auto fehlte das Radkreuz. Die Verteidigung behauptete, es wäre von Anfang an kein Radkreuz im Wagen gewesen, da Hopton ihn gebraucht gekauft hatte. Sie hatten sogar die Vorbesitzerin des Wagens aufgetrieben, die angab, sie sei sich ziemlich sicher, dass keins im Wagen gewesen sei.« Charlie streckte einen zweiten Finger aus. »Das Alibi, das Hopton angegeben hatte, erwies sich als Lüge. Die Verteidigung erklärte, dass er nur gelogen habe, um zu vertuschen, dass er in dieser Zeit mit einer Prostituierten zusammen gewesen sei. Die Prostituierte erschien als Zeugin vor Gericht, bestätigte die Aussage, wirkte aber nicht sonderlich zuverlässig.« Finger Nummer drei. »Und dann kam ich.« Charlie streckte den vierten Finger aus und schloss ihre Hand dann wieder zu einer Faust. »Ich brachte es einfach nicht fertig zu lügen. Und so befanden die Geschworenen, völlig korrekt, dass Bill Hopton nicht schuldig sei.«
»Der Staatsanwalt muss vor Wut im Dreieck gesprungen sein«, kommentierte Corinna.
»Er war sehr verärgert und ließ mich das auch deutlich spüren. Meine Tage als Prozessgutachterin waren damit gezählt, vermutete ich. Also kehrte ich zu meinem Alltagsleben zurück. Psychopathen therapieren, Vorlesungen in Manchester halten und mein ganz normales Eheleben mit meiner ganz normalen Frau Maria führen.«
Magda versuchte, ihre Überraschung zu verbergen. Es war ja nicht so, dass sie zur Homophobie erzogen worden wären. Hasspredigten hatte es in ihrem Elternhaus niemals gegeben. Allerdings war auch nie ein Zweifel daran gelassen worden, dass Homosexualität eine schlimme Sünde sei. So offen war das Thema noch nie angeschnitten worden. Wer hier zu Gast war, achtete in der Regel darauf, nicht zu fluchen und nicht über Abtreibung oder Homosexualität zu sprechen. Und jetzt saß Charlie hier und bezeichnete ihre lesbische Partnerin als ihre Frau, ohne achtkantig hinausgeworfen zu werden, wie Jay damals vor all diesen Jahren. Waren ihre Eltern etwa lockerer geworden? Vielleicht würde ihr Geständnis ja weniger dramatisch verlaufen, als sie befürchtet hatte.
Sie bemerkte, dass sie einen Teil von Charlies Schilderungen verpasst hatte, und zwang sich, weiter zuzuhören.
»… ungefähr zwei Jahre später. Und dieses Mal gab es keine Zweifel. Es war genau die Art von sinnlos brutaler, animalischer Gewalt, die ich vorhergesagt hätte. Es gab jede Menge eindeutiger Beweise, sogar in digitaler Form auf Bill Hoptons Computer. Es dauerte trotzdem einige Wochen, bis man ihn aufgespürt hatte, da er ziellos durch die Gegend fuhr und sich versteckte. Bis er dann endlich erwischt wurde, hatte er noch drei weitere Frauen getötet.« Charlies Stimme zitterte, und plötzlich wirkte sie älter. Als sie blinzelte, zeichneten sich tiefe Falten um ihre Augen herum ab. »Ich fühlte mich beschissen. Ich hatte nichts Falsches getan, und trotzdem kam es mir vor, als hätte ich das alles verhindern können.«
»Du hättest nichts tun können«, stellte Corinna fest.
»Ich hatte ja eine dringende Empfehlung ausgesprochen,
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