Alle Rache Will Ewigkeit
ihr gelungen, jeden Gedanken an Maria zu verdrängen. Es war peinlich, ihren Namen nun von Lisa ausgesprochen zu hören. »Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mit ihr darüber zu reden.«
Lisa lächelte zufrieden. »Es schmeichelt mir, dass du es mir zuerst erzählst«, sagte sie. »Was wirst du jetzt tun? Dich klammheimlich aus der Angelegenheit herausziehen? Ich weiß zwar, dass du eine Expertin darin bist, herauszubekommen, was in den Köpfen der Leute vorgeht, aber es klingt doch so, als benötige Corinna Newsam eher die Dienste eines Privatdetektivs.«
»Ich weiß. Aber ich schaue mir die Sache vielleicht trotzdem mal an«, antwortete Charlie etwas zögernd. »Es ist ja eine interessante Geschichte. Und wenn da irgendetwas an Substanz ist, das ich festnageln kann …«
»Ich kann verstehen, dass es dich reizt, Charlie. Doch selbst wenn du einen Justizirrtum aufdecken solltest, wird dich das nicht vor der Ärztekammer rehabilitieren«, entgegnete Lisa mit besorgtem Blick. »Und auch nicht vor den Lesern der
Daily Mail.
«
Das war ein scharfsinniger Kommentar, der zeigte, wie gut sie Charlies Motive verstand.
»Vielleicht nicht, aber wenigstens fühle ich mich dann ein bisschen besser.«
»Bist du dir sicher, dass das Ganze nicht nur ein Vorwand ist, ein bisschen in deine eigene Vergangenheit abzutauchen? Ein Zeitsprung in eine Welt und an einen Ort, als du noch glücklich warst? Als dir noch alle Optionen uneingeschränkt offenstanden?«
Charlie dachte einen Moment lang darüber nach. »Ich glaube nicht«, antwortete sie. »Es ist nicht meine Art, an der Vergangenheit festzuhalten. Außerdem meine ich, dass ich immer noch Glücksmöglichkeiten habe. Mit dir hier zu sitzen macht mich zum Beispiel glücklich. Das ist ein ziemlich guter Ort und eine gute Zeit für mich.«
Lisa fuhr sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. »Für mich auch. Wir kennen uns zwar noch nicht lange, aber ich spüre, dass es eine Verbindung zwischen uns gibt.«
Charlies Herz tat einen Sprung. Anders konnte man das Gefühl in ihrer Brust nicht beschreiben. Wie konnten ein paar Worte nur eine so starke körperliche Reaktion hervorrufen? »Manche Dinge sind so stark, dass man sie einfach nicht ignorieren kann«, stellte sie fest und räusperte sich, als sie merkte, wie brüchig ihre Stimme geworden war. »Ich möchte gerne sehen, wie das mit uns weiterläuft.«
»Aber es hat keine Eile, Charlie. Unsere Freundschaft wird sehr, sehr lange vorhalten. Davon bin ich fest überzeugt. Unsere Stärken und Schwachpunkte ergänzen sich so wunderbar.«
Charlies Mund war staubtrocken. Sie wünschte jetzt, sie hätte sich doch etwas zu trinken geben lassen. »Du hast ja recht. Manchmal weiß man es einfach. Gleich von Anfang an.« Sie rückte etwas weiter zur Seite, so dass sie sich auf der Armlehne aufstützte und Lisas Gesicht dicht vor sich hatte.
»Aber wenn du lieber für Corinna Newsam Gespenster jagst, wirst du natürlich kaum Zeit für irgendetwas anderes haben«, sagte Lisa in bedauerndem Tonfall.
Charlie ließ sich dadurch nicht beirren. »Ich werde mir die Zeit nehmen.«
Lisa bedachte sie mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Ich fürchte nur, du wirst deine Zeit verschwenden.«
Nach dem Geflirte fühlte sich das an wie eine Ohrfeige. Charlie schreckte regelrecht zurück. »Was?«
»Wenn du zu beweisen versuchst, dass Jay Stewart eine Mörderin ist, meine ich.« Lisa lachte. »Was dachtest du denn, was ich meine?«
Charlie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Ihre euphorischen Gefühle waren sogleich wieder abgestürzt. »Warum sagst du, dass ich meine Zeit verschwenden werde?«
Lisa zuckte mit den Schultern. »Es kommt mir einfach nicht sehr wahrscheinlich vor.«
»Kennst du sie denn?« Sofort sprang Charlies professionelle Aufmerksamkeit an, die bis jetzt von ihren Hormonen außer Kraft gesetzt gewesen war. War es möglich, dass Lisa noch eine andere Absicht hatte?
»Nein, nicht wirklich«, antwortete Lisa. »Wir haben zur selben Zeit studiert, aber ich war nicht am St. Scholastika College, also haben sich unsere Wege nicht oft gekreuzt. Ich kannte sie so, wie man Leute kennt, die sich auf denselben Partys herumtreiben. Sie hatte ja einen gewissen Ruf. Die Lesbe, die es zur Vorsitzenden des Junior Common Room gebracht hatte – das zog natürlich die Aufmerksamkeit auf sich.«
»Es war bekannt, dass sie eine Lesbe war? Ich dachte, sie hätte sich damals noch nicht geoutet?«
Lisa kicherte. »Sie
Weitere Kostenlose Bücher