Alle Rache Will Ewigkeit
hineinzudrängeln, wo man eigentlich nicht sein sollte. Wer schafft es denn immer, dass wir in die VIP -Lounge am Flughafen dürfen?«
Charlie kicherte. »Nicht immer. Erinnerst du dich noch an diese sture Ziege am Charles de Gaulle? Ich dachte schon, die lässt uns verhaften.«
»Versuch nicht, das Thema zu wechseln, Charlie. Wenn Corinna auch nur ansatzweise recht hat, dann geht es hier um einen verdammt hohen Einsatz, nämlich um die Aufklärung eines Justizirrtums und darum, einer Frau das Handwerk zu legen, die meint, Mord sei die effizienteste Art zu bekommen, was sie will. Wenn Corinna recht behält und du das beweisen kannst, dann hättest du, moralisch gesehen, wieder Oberwasser. Der Ärztekammer würde es dann verdammt schwerfallen, dich zu kritisieren, wenn du gerade als Heldin des Tages im Rampenlicht stehst.«
Charlie fand es interessant, dass Maria einen solchen Erfolg und seine positive Wirkung auf die öffentliche Meinung ganz anders beurteilte als Lisa. Es war schwer zu sagen, welche Einschätzung eher zutraf. Charlie legte den Kopf auf Marias Schulter. »Für den Fall Bill Hopton würde das nicht bedeuten, dass es mir eine Entschuldigung für seinen Freispruch gäbe, Süße. Diese Sache lässt sich nicht aus der Welt schaffen, wie auch immer die Angelegenheit mit Jay ausgeht. Ich bin mir trotzdem bewusst: Hätte ich energischer auf seiner Einweisung in eine Anstalt bestanden, dann wären vier Frauen noch am Leben.«
»Du weißt, dass das nicht wahr ist«, protestierte Maria. »Du sagtest doch selbst, dass es laut Gesetzeslage absolut keine Basis für eine Verurteilung oder Sicherheitsverwahrung gab. Du hättest lügen müssen, um ihn einsperren zu lassen, und du hättest einen anderen Arzt dazu bringen müssen, ebenfalls zu lügen. Und selbst wenn du damit Erfolg gehabt hättest, wäre er auf lange Sicht doch wieder freigekommen. Das weißt du. Und dann wären es eben vier andere Frauen gewesen. Also hör bitte endlich auf, dich verrückt zu machen, und verwende deine Energie lieber auf eine Sache, bei der du tatsächlich noch etwas bewegen kannst. Du solltest entweder Beweise gegen Jay sammeln oder sie entlasten.«
Charlie streckte sich auf dem Sofa aus und legte den Kopf in Marias Schoß. »Deine Argumentation ist schlüssig, aber es gibt da trotzdem noch eine Sache, die mich zögern lässt.«
»Und das wäre?«, fragte Maria, während sie spielerisch mit den Fingern durch Charlies Haar fuhr. Diese vertraute Geste pflegte Charlie wunderbar zu entspannen.
Sie drehte sich in eine noch bequemere Position. »Lesbische Solidarität. Verhalte ich mich da nicht wie Onkel Tom? Lass ich mich für eine homophobe Hexenjagd einspannen? Hätte Corinna mich auch zu Hilfe gerufen, wenn Jay ein Kerl wäre?«
»Vielleicht. Aber es ist doch eher unwahrscheinlich. Wenn Jay ein Kerl gewesen wäre, hätte Corinna nichts über seine Vergangenheit gewusst. Die Frage wäre also gar nicht erst aufgetaucht.«
Charlie lächelte. Auf die so bodenständige, praktisch denkende Maria konnte man sich verlassen. Damit hatte sie zumindest eine der Fragen beantwortet, mit denen Charlie sich herumgequält hatte, und zwar mit einer logischen Begründung; hätte Charlie ihren Verstand eingesetzt, dann hätte sie selbst darauf kommen können.
»Außerdem zwingt dich ja niemand, deine Ergebnisse mit Corinna zu teilen«, fügte Maria noch hinzu. »Du bist schließlich keine Privatdetektivin. Sie hat dich nicht engagiert. Mit deinen Ermittlungsergebnissen kannst du verfahren, wie es dir richtig erscheint. Du kannst Corinna einweihen oder nicht. Du kannst Magda davon erzählen oder nicht. Du kannst sogar Jay informieren oder eben nicht.«
Charlies Entschluss war nun gefasst. Sie würde tun, worum Corinna sie gebeten hatte. Sie würde nach Beweisen suchen und die Ergebnisse sorgfältig abwägen, obwohl Lisa überzeugt war, Jay sei keine Mörderin.
Als sie zu Bett gingen, schien alles geregelt und klar. Beim Frühstück am nächsten Morgen war es schon wieder zu einem heiklen Problem geworden. Charlie starrte mit finsterer Miene in ihren Kaffee. Es war ja gut und schön, wenn sie sich daranmachte, Jay nachzuspionieren. Aber wo sollte sie anfangen, und wonach suchte sie eigentlich?
Maria wedelte mit der Hand vor Charlies Gesicht herum. »Hallo? Ist da jemand zu Hause?«
Charlie lächelte müde. »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
Maria zuckte mit den Schultern. »Ich fand es immer gut, am Anfang zu beginnen.«
»Und in
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