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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hat vielleicht geglaubt, dass niemand eine Ahnung hatte. Aber du weißt doch, wie das hier in Oxford ist, Charlie. Der Tratsch ist allgegenwärtig. Da bleibt nichts unkommentiert. Ich ging damals noch mit Männern aus, aber ich wusste, dass Jay Stewart eine Lesbe war.«
    Da wurde Charlie besonders hellhörig. Egal was Lisa über Jay Stewart geäußert hatte. »Ich ging damals noch mit Männern aus«, hatte sie gesagt. Es gab nur eine Möglichkeit, das zu interpretieren, und die belebte Charlies Phantasie, wie ein Frühlingsregen nach einer Dürre die Erde erfrischt. Sie fühlte ihren Pulsschlag in den Schläfen, und ihr Mund wurde wieder trocken. »Dafür, dass du damals noch mit Männern ausgingst, war dein lesbisches Erkennungsorgan aber schon gut trainiert.«
    Lisa lehnte sich auf dem Sofa zurück und streckte sich, die Arme weit über den Kopf erhoben und die Finger beider Hände verschränkt. Charlie nahm in sich auf, wie wunderschön ihre Arme und ihre Brüste waren. Lisa lächelte schelmisch: »Es war mir wohl noch nicht richtig bewusst, aber ich war damals schon gut darin, den wunden Punkt eines Menschen zu erkennen.«

11
    Montag
    T rotz ihrer morgendlichen Dusche war Charlie aufgrund ihres Schlafmangels noch immer nicht ganz bei sich. Vielleicht würde ja der Frühstückskaffee helfen. Zwei Nächte nacheinander hatte sie sich rastlos im Bett herumgewälzt, immer bemüht, Maria bloß nicht aufzuwecken. Ihre Gedanken und Gefühle waren ein einziges Chaos, und das Schlimmste daran war ironischerweise, dass sie nicht mit Maria darüber reden konnte. In den sieben Jahren ihrer Beziehung hatte sich Charlie sehr daran gewöhnt, dass Maria ihr bei allen Problemen und Entscheidungen beratend zur Seite stand. Jetzt kam es ihr seltsam vor, etwas vor ihr geheim zu halten.
    Immerhin hatte sie von Corinnas bizarrer Bitte berichten können. Am späten Samstagabend war sie nach Hause gekommen, immer noch benommen von ihrem Zusammentreffen mit Lisa. Deren Kommentar über wunde Punkte hatte das Ende ihrer Unterhaltung markiert. Die Stunde war um, und Lisas nächster Kunde klingelte bereits an der Tür. Charlie musste ihre Enttäuschung herunterschlucken, dass sie offenbar mit ihrer Beziehung nicht weitergekommen waren.
    Aber mit dieser Einschätzung war sie wohl etwas voreilig gewesen. Als sie ihrer Gastgeberin in die Eingangshalle folgte, wandte sich Lisa an der Haustür plötzlich um, griff nach Charlies Hand und zog sie in ihre Arme. Charlie wurde von einem Gefühl ergriffen, als explodiere etwas Heißes, Helles in ihrem Inneren. Das war kein freundschaftlicher Abschiedskuss. Eher die Art von fordernder Umarmung, die das Vorspiel zu einer leidenschaftlichen, schweißtreibenden Szene war. Es war aus dem Nichts gekommen, und selbst während sie sich dem hingab, war Charlie sich bewusst, dass es zu nichts führen würde. Denn im gleichen Augenblick, als Lippen, Zungen und Hände auf Entdeckungsreise gingen, tickte im Hintergrund die Uhr.
    Als es zum zweiten Mal an der Tür läutete, lösten sie sich aufgeschreckt voneinander. Charlie war rot geworden und keuchte heftig. Selbst Lisa hatte einen Anflug von Röte auf den Wangen und lächelte sie ironisch und kokett an. »Fortsetzung folgt«, sagte sie nur.
    Und öffnete die Tür.
    Den Abschied nahm Charlie nur undeutlich wahr. Sie sah den Mann kaum, der wartend vor der Haustür gestanden hatte, und registrierte lediglich Lisas knappen Abschiedsgruß. Ein solch abrupter Wechsel war ihr ein Rätsel. Irgendwie war sie an ihren Wagen gelangt und fragte sich, ob sie jetzt überhaupt fahrtauglich war.
    Eine Weile war sie hinter dem Lenkrad sitzen geblieben, um zu verdauen, was sich da gerade abgespielt hatte. Sie versuchte, ihre starken Emotionen für Lisa zu unterdrücken und ihr Benehmen einigermaßen nüchtern zu analysieren. Was sich aber als Zeitverschwendung herausstellte, da sie einfach keinen klaren Gedanken fassen konnte.
    Die Zeit von ihrem Abschied bei Lisa bis zu ihrer Ankunft zu Hause in Manchester war einfach an ihr vorbeigerauscht. Sie hatte sieben Stunden für eine Fahrt gebraucht, die man locker in dreieinhalb hinter sich bringen konnte. Schemenhaft erinnerte sie sich daran, dass sie im Café einer Autobahnraststätte gesessen hatte, der Rest war unklar. Nachdem sie erschöpft ins Bett gefallen war, war es eine willkommene Ablenkung gewesen, Maria von den Newsams zu erzählen.
    Maria war interessierter an der Angelegenheit mit Corinna, als Charlie vermutet hatte.

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