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Alle Rache Will Ewigkeit

Alle Rache Will Ewigkeit

Titel: Alle Rache Will Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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verdächtig ähnlich sah. »Das hier ist Jess. Sie kommt aus dem Bootshaus …« Er bewegte die kleine Figur vom Gebäude auf den Rand der Plattform zu. »Sie rutscht aus …« Die Füße gleiten unter Prinzessin Leia weg, und ihr Kopf stößt an die scharfe Kante. Sie fällt mit dem Gesicht nach unten auf das Papier. »Sie ist bewusstlos, als sie ins Wasser fällt. Sie ertrinkt. Und da haben wir’s. Ein nachvollziehbarer Ablauf.«
    »Worin besteht die Anomalie?«, fragte Charlie, innerlich in heller Aufregung. »Was ist das Problem mit diesem Ablauf?«
    »Stellen Sie sich vor, dass der Schädel beim Sturz nach unten auf die Kante des Landestegs auftrifft. Die Wunde ist keilförmig. Als ich dann Jess Edwards’ Schädel untersuchte, erwartete ich eine solche keilförmige Wunde. Und so war es auch. Nur war die Form des Keils umgedreht.« Er nahm Prinzessin Leia wieder auf, ließ sie vom Bootshaus rückwärts an den Rand des Landestegs gehen und wieder die Füße unter ihr wegrutschen. Diesmal stieß sie mit dem Hinterkopf auf den Rand des Landestegs, aber ihr Körper blieb auf dem Bodenbelag. »Um diese Form der Verletzung entstehen zu lassen, dazu hätte sie rückwärts auf die Kante fallen müssen. Ihr Körper wäre dann aber auf dem Landesteg liegen geblieben. Und sie wäre nicht ertrunken.«
    Charlie dachte über seine Erklärung nach und suchte nach abweichenden Möglichkeiten. »Und wenn sie noch bei Bewusstsein gewesen wäre? Sich vor Schmerz gewunden hätte? Hätte sie so über die Kante rollen können?« Charlie hatte durchaus keinen Zweifel an Patels Kompetenz. Sie wollte ihm glauben, wollte überzeugt sein, dass Corinna ihr kein aussichtsloses Unternehmen aufgetragen hatte. Aber sie war geübt darin, die Dinge mit Skepsis zu betrachten, sie in Frage zu stellen und einer Prüfung zu unterziehen.
    »Genau das fragte auch der Polizist. Und ich kann Ihnen sagen, was ich ihm entgegenhielt. Es ist meine auf Fachwissen und Erfahrung beruhende Meinung, dass sie nach diesem Aufprall mit dem Kopf nicht mehr bei Bewusstsein sein konnte. Aber es gibt eines zu bedenken. Es ist bekanntermaßen schwierig, in Bezug auf die Auswirkung von Kopfwunden definitive Aussagen zu machen. Es wurde von Fällen berichtet, dass Leuten in den Kopf geschossen wurde, die danach aber bei vollkommen klarem Verstand waren und herumliefen. Theoretisch ist also das, was Sie andeuten, gerade noch im Bereich des Möglichen.«
    Charlie stieß den Atem aus, den sie angehalten hatte. »Was sagte der Polizist?«
    »Er stellte fest, es gebe keine Beweise, die darauf hindeuteten, dass es irgendetwas anderes als ein tragischer Unfall sei. Nichts. Keine Indizien, keine gerichtsmedizinischen Beweise, keine Zeugenaussagen. Wenn es eine Erklärung gäbe, die sich damit deckte, würde er sie akzeptieren. Wenn eine Anomalie die einzige Möglichkeit war, es zu erklären, würde er mit der Anomalie leben.«
    »Davon haben Sie im Obduktionsbericht nichts erwähnt«, sagte Charlie.
    »Nein. Weil Anomalien tatsächlich vorkommen. Und außerdem hatte niemand auch nur die kleinste Frage aufgeworfen. Unter solchen Umständen muss man an die Auswirkung auf die Familie denken. Es gab keine Beweise, die eine Mordermittlung ratsam machten, und wenn ich bei den Angehörigen Zweifel geschürt hätte …« Patel fuhr sich übers Haar. »Damit hätte ich es für sie nur unmöglich gemacht, einen Schlussstrich zu ziehen. Für immer. Denn es konnte keinen Abschluss geben.«
    »Was ist, wenn sie ermordet wurde?«
    »Sie meinen, was ist, wenn Ihr Patient die Wahrheit sagt mit seiner Behauptung, er sei Zeuge eines Mordes gewesen?«
    »Ja.«
    Patel schien besorgt. »Dann wird es für einige Leute sehr schmerzlich.«
    »Sie inbegriffen?«
    Er lächelte traurig. »Ich werde mich da nicht anschließen, Charlie. Ich werde keinen Staub aufwirbeln.« Er stand auf. »Viel Glück dabei, wenn Sie versuchen, irgendjemanden dazu zu bringen, Ihren Verrückten ernst zu nehmen.«
     
    Charlie war ziemlich zufrieden mit sich. Sie hatte die Hälfte des fast bewegungslosen Staus hinter sich, der sich auf der Stadtautobahn um Birmingham herum voranquälte, und hatte Lisas SMS und E-Mail immer noch nicht geöffnet. Gerade als sie sich zu ihrer Willensstärke beglückwünschte, klingelte ihr Handy. »Unbekannt«, stand auf dem Display. Das beunruhigte sie. Es konnte jeder sein von ihrem Anwalt bis zu ihrer Mutter, die gern von der Arbeit aus anrief, wenn ihr Chef nicht da war. Charlie nahm sich

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