Alle Robotergeschichten
du bist jemand, der kein Verbrechen begangen hat, und dein Privatrobot ist Zeuge. Du brauchtest nichts zu tun. Dein Robot würde die Wahrheit sagen und dich bestätigen. Wenn du aber jemand bist, der das Verbrechen begangen hat, dann wärest du abhängig von der Lüge deines Robots. Du wärest in einer etwas gefährlicheren Situation, denn obwohl der Robot, wenn nötig, lügen würde, wäre er doch eher geneigt, die Wahrheit zu sagen, und damit wäre die Lüge weniger sicher als die Wahrheit. Um dem vorzubeugen, müßte der verbrecherische Jemand höchstwahrscheinlich dem Robot zu befehlen haben, eine Lüge zu sagen. So wäre das erste Gesetz durch das zweite verstärkt, vielleicht sogar ganz bedeutend gestärkt.«
»Das wäre sicher vernünftig«, sagte R. Daneel.
»Nimm an, wir haben für die beiden Verhaltensweisen je einen Robot. Ein Robot würde von der nicht abgesicherten Wahrheit zur Lüge übergehen, und könnte das ohne große Schwierigkeiten nach einigem Zögern tun. Der andere Robot würde von der stark abgesicherten Lüge zur Wahrheit übergehen und könnte das nur auf die Gefahr hin tun, dabei in seinem Gehirn viele Positronenschaltungen durchzubrennen und in Stasis zu fallen.«
»Und da R. Preston in Stasis verfiel …«
»Der Herr von R. Preston, Dr. Humboldt, ist der Mann, der sich des Plagiats schuldig gemacht hat. Wenn du das dem Kapitän übermittelst und ihn drängst, die Sache unverzüglich Dr. Humboldt vorzulegen, dann kann er ihn vielleicht zu einem Geständnis bringen. Ich hoffe, du wirst mir sofort Nachricht geben, wenn das geschieht.«
»Das werde ich sicher tun. Du entschuldigst mich, Freund Elijah? Ich muß unter vier Augen mit dem Kapitän sprechen.«
»Sicher. Geh in den Tagungsraum. Er ist abgeschirmt.«
Während R. Daneels Abwesenheit konnte sich Baley überhaupt keine Arbeit vornehmen. Vom Wert seiner Untersuchung hing eine Menge ab, und er war sich deutlich seines Mangels an Fachkenntnis in Robotik bewußt.
Nach einer halben Stunde kam R. Daneel zurück – beinahe die längste halbe Stunde in Baleys Leben.
Es war selbstverständlich unmöglich, dem gelassenen Gesichtsausdruck des menschenähnlichen Wesens etwas darüber zu entnehmen, wie es ausgegangen war. Baley versuchte, gelassen auszusehen.
»Nun, R. Daneel?« fragte er.
»Genau wie du gesagt hast, Freund Elijah. Dr. Humboldt hat gestanden. Er rechnete damit, sagte er, daß Dr. Sabbat nachgeben würde und er seinen letzten Triumph feiern könnte. Die Krise ist vorbei, und du wirst den Kapitän dankbar finden. Er hat mir gestattet, dir mitzuteilen, daß er dein umsichtiges Vorgehen sehr bewundert, und ich glaube, daß man mir wohlwollen wird, weil ich auf dich hingewiesen habe.«
»Schön«, sagte Baley mit feuchter Stirn, jetzt, da sich seine Entscheidung als richtig herausgestellt hatte. »Aber Jehoshaphat, R. Daneel, bring mich bitte nicht wieder in eine solche Lage.«
»Freund Elijah, ich werde es versuchen. Es wird natürlich davon abhängen, wie bedeutend die Krise, wie nah du bist, und auch von gewissen anderen Faktoren. Ich habe aber noch eine Frage …«
»Ja?«
»War es nicht möglich, anzunehmen, daß der Übergang von einer Lüge zur Wahrheit leicht war, während der Übergang von der Wahrheit zu einer Lüge schwierig war? Und würde in dem Fall nicht der Robot in Stasis dabeigewesen sein, und da R. Preston sich in Stasis befand, hätte man nicht zu dem Schluß kommen können, daß Dr. Humboldt unschuldig und Dr. Sabbat schuldig war?«
»Ja, R. Daneel, so hätte man auch folgern können, doch der andere Schluß erwies sich als richtig. Humboldt hat doch gestanden?«
»Allerdings. Aber da in beiden Richtungen geschlossen werden konnte, wie hast du, Freund Elijah, so rasch den richtigen Schluß gefunden?«
Einen Augenblick zuckte es um Baleys Lippen. Dann entspannte er sich, und sie verzogen sich zu einem Lächeln. »Weil ich menschliches Verhalten berücksichtigte, nicht das von Robotern. Ich weiß mehr über Menschen als über Roboter. Mit anderen Worten: Bevor ich überhaupt die Roboter befragte, hatte ich eine Ahnung, welcher Mathematiker der Schuldige ist. Als ich bei den Robotern asymmetrische Reaktionen hervorbrachte, habe ich sie einfach so gedeutet, daß die Schuld auf den fallen mußte, den ich sowieso schon für schuldig hielt. Die Reaktionen der Roboter waren aufregend genug, um den Schuldigen zusammenbrechen zu lassen. Meine eigene Untersuchung des menschlichen Verhaltens hätte dazu
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