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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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der Faseruntersuchungen standen noch aus.
    «Auf der Beerdigung eines Freundes singen, das könnte ich nicht.»
    «Na ja, ich find das auch furchtbar. Mal sehn. Du kannst ja kommen und den verhaften, der nicht weint – aber das wär ja sowieso Mirja.»
    Jyri war viel gelöster, seit er wusste, dass ich ihn nicht nach Pasila schleifen würde. Ich trank meinen Whisky langsam und genoss seine beruhigende Wirkung. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie schrecklich verkrampft und angespannt ich den ganzen Tag über gewesen war. Ich sehnte mich nach einem langen Spaziergang in frischer Luft. Im Allgemeinen half mir das, Klarheit in meine Gedanken zu bringen.
    Jyri wollte allmählich aufbrechen und bat mich zu warten, bis er sich umgezogen hatte, damit wir zusammen gehen konnten. Nach dem dritten Whisky hatte er auch den letzten Rest seiner Befangenheit verloren und erzählte mir Klatschgeschichten über den Chor, die mir irgendwie bekannt vorkamen. Die meiste Zeit verwendete er darauf, seine eigenen Gesangskünste herauszustreichen und andere Sänger, vor allem die Tenöre, schlecht zu machen. Mit welchem Eifer Sänger ihre Kollegen kritisieren, hatte ich schon gemerkt, als ich mit Jaana zusammenwohnte, und bei Jyris Worten gewann ich allmählich den Eindruck, dass der IOL ein wahrer Tummelplatz von Neidhammeln war. Allerdings würde kaum jemand einen anderen nur deshalb ermorden, weil er regelmäßig eine Spur zu tief sang.
    In der Straßenbahn schlug Jyri mir vor, mitzukommen und mich in die Feinheiten des Kyykkä-Spiels einweihen zu lassen, aber dafür konnte ich mich nicht begeistern. Er stieg in Kaisaniemi aus, ich fuhr weiter bis nach Eira und spazierte am Ufer entlang. Die Helsinkier Ufer sind nicht gerade überwältigend, aber das Meer ist und bleibt das Meer. Einen Moment lang wünschte ich mir, nicht allein zu sein, jemanden neben mir zu haben, mit dem ich über die zankenden Krähen lachen und die kleine, wie ein Elefant geformte Wolke bewundern konnte, aber der Gedanke verflüchtigte sich bald.
    Ein Segelboot am Horizont rief mir Jukka ins Gedächtnis. Mit Piia Wahlroos sollte ich bald noch einmal sprechen, vielleicht konnte sie mir etwas über Jukkas Liebesleben sagen. Ich wusste nicht recht, was ich von Piia halten sollte, aber instinktiv hatte ich sie auf meiner Rangliste der Verdächtigen in das obere Feld gesetzt. Jyri ebenfalls, trotz seiner Beteuerungen. Timo und Sirkku musste ich wohl oder übel am unteren Ende der Liste platzieren, eine kurze Affäre, die noch dazu zwei Jahre zurücklag, war kein schlüssiges Motiv für einen Mord. Zudem konnte ich mir nicht recht vorstellen, dass Sirkku jemanden mit einer Axt erschlug. Vielleicht sollte ich mich auf die Art konzentrieren, wie der Mord verübt worden war, um Rückschlüsse auf den Täter zu ziehen.
    Der Mörder hatte es offensichtlich eilig gehabt, Jukka loszuwerden. Es sah so aus, als wäre er entweder wütend oder erschrocken gewesen. Wer von meinen Verdächtigen war fähig, richtig wütend zu werden? Antti ganz bestimmt, ebenso Timo. Unter den Frauen war Sirkku am ehesten der Typ, der ausrastete, aber so wie ich sie einschätzte, hätte sie dann, «typisch Frau», angefangen zu weinen und mit ihren hübsch manikürten Händen gegen Jukkas Brust zu trommeln.
    Und Mirja? Ich kannte viele extrem beherrschte Menschen, die selten wütend wurden, bei denen aber die Hölle losbrach, wenn sie doch einmal ausrasteten. Womit konnte Jukka Mirja zu einem Wutausbruch provoziert haben? Auch Tuulia konnte furchtbar wütend werden, aber ihre Waffe wäre Gift, da war ich mir sicher.
    Und wenn Jukka Piia belästigt hatte? Vielleicht war er im Rausch zudringlich geworden, und sie hatte keinen anderen Ausweg gesehen, als die Axt zu nehmen und zuzuschlagen. Ach, wenn es doch Selbstverteidigung wäre! Ich fand es plötzlich furchtbar, jemanden für Jahre ins Gefängnis zu bringen, dabei lief meine ganze Arbeit doch darauf hinaus.
    In den Polizeidienst zurückzukehren war eine idiotische Idee gewesen. Ich hatte immer noch die Fachzeitschrift «Der Polizist» abonniert (obwohl ich größte Lust hatte, sie wegen ihres dämlichen Namens zu boykottieren) und darin das Stellenangebot entdeckt. Wahrscheinlich hatte ich die Stelle bekommen, weil ich eine Frau war. Es gab wenig Frauen im Polizeidienst, und man machte es ihnen auch nicht gerade leicht, mir jedenfalls nicht. Ab und zu wünschte ich mir, mindestens zehn Jahre älter zu sein und Familie zu haben. Ein Kollege nach dem

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