Alle Singen Im Chor
geschieht. Ich habe aber heute Morgen mit ihm vereinbart, diese Verantwortung an mehrere Personen zu delegieren. Du bist mit diesem Fall ja schon ziemlich weit vorangekommen. Du erstattest ihm Bericht, arbeitest aber im Wesentlichen selbständig weiter.»
Kinnunen war also wieder da. Die Situation schien ziemlich explosiv zu sein. Vielleicht sprach ich am besten selbst mit ihm.
Wir redeten eine Weile über andere Fälle, an denen ich gerade arbeitete. Ich bat um Erlaubnis, in erster Linie Koivu als meinen Assistenten einzusetzen. Der Chef stimmte zu und fragte dann nachdenklich:
«Bis Ende September ist es nicht mehr lange … Saarinen hat letzte Woche angerufen. Ihm wird möglicherweise bald Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt, weil es mit seinem Rücken so schlimm steht. Auf jeden Fall ist er bis Ende des Jahres krankgeschrieben. Hast du dir schon überlegt, ob du weitermachen willst?»
«Ich bin noch nicht dazu gekommen», erwiderte ich ausweichend.
«Es wäre gut, wenn wir in unserer Abteilung eine Frau hätten, schon fürs Image. Und du scheinst ja genauso gut zurechtzukommen wie die Jungs», sagte der Chef, ohne zu ahnen, dass er genau die falschen Worte gewählt hatte. Zum Glück stellte seine Sekretärin gerade in dem Moment ein dringendes Gespräch von oben zu ihm durch, sodass ich mich verdrücken konnte.
Auf meinem Schreibtisch war in der Zwischenzeit ein rundes Paket aus dem Labor aufgetaucht. Bevor ich es öffnen konnte, klingelte das Telefon. Es war Anu, die Sopranistin, die meiner Bitte um Rückruf nachkam.
«Du hast mir gesagt, dass Jukka am Telefon so etwas Ähnliches gesagt hat wie ‹Hör zu, Alte, ich kann jetzt nicht sprechen›. Kann es sein, dass er für Alte nicht akka gesagt hat, sondern ämmä?»
Anu überlegte eine Weile.
«Ja, ich glaube, du hast Recht.»
«Hervorragend. Und diese Ämmä brauchte von irgendetwas mehr, als Jukka ihr geben wollte?»
«Den Eindruck hatte ich», bestätigte Anu. Sie hatte nichts dagegen, ihre Aussage eventuell später offiziell zu Protokoll zu geben.
Endlich konnte ich das Paket aus dem Labor auspacken. Es enthielt eine der Schnapsflaschen aus Jukkas Wohnung, eine zweite Flasche, die Laborergebnisse und einige Fotos. Ich sah sie mir an und pfiff durch die Zähne. Allmählich wurde es interessant. Ich verstaute die Schnapsflasche in meinem Schreibschränkchen, um die Männer unserer Abteilung und vor allem Kinnunen nicht in Versuchung zu führen. Da hatte ich nun meine Büroflasche.
Ich organisierte mir einen Wagen und Koivu, der wieder munter und gut gelaunt war. Als ich ihn für seine Leistung am Samstagabend lobte, lachte er zufrieden.
«In dem Lokal gab’s reichlich käufliches Fleisch. Für Geld kriegt man da Frauen oder junge Männer, ganz nach Wunsch», erklärte er. «Erinnerst du dich noch an die Estin, die ihre Freier beraubt hat? Sie muss so ungefähr zwei Tage vor dem Mord an Peltonen verhaftet worden sein. Die könnte was wissen.»
«Sehr gut, Koivu! Kannst du mal feststellen, ob sie noch in Haft ist, und uns eine Vernehmungserlaubnis besorgen? Bis wir die haben, erledigen wir ein paar andere Gespräche», sagte ich. Koivu nahm das Autotelefon zur Hand und erkundigte sich. Die Frau saß tatsächlich noch in Pasila in Untersuchungshaft.
Wir fuhren als Erstes nach Koskela, wo Tomi Rissanen, also Tomppa, wohnte. Nach mehrmaligem Klingeln öffnete ein schöner Junge mit Engelslocken die Tür. Er rieb sich die Augen, als wäre er gerade erst aufgewacht. Sein einziges Kleidungsstück war ein winziger weißer Tangaslip, der die Bräune seines muskulösen Körpers betonte.
«Koivu und Kallio, Kriminalpolizei», sagte ich und hielt ihm meinen Ausweis hin. «Wir hätten ein paar Fragen über einen Ihrer … Freunde.»
Tomppa schien eher verwirrt als erschrocken. Hatte Mäki ihn gewarnt? Bei genauem Hinsehen sah er aus wie ein Schuljunge, der eigentlich gar keinen Zutritt zum «Kaivohuone» haben dürfte. Es wunderte mich gar nicht, dass er Abnehmer fand. Einen solchen Leckerbissen anzuschauen und zu berühren musste ein Genuss sein. Die Eheleute Mäki schienen auf den gleichen Typ Mann zu stehen; dem Aussehen nach hätte Tomppa Jukkas kleiner Bruder sein können.
Tomppa bestätigte, die ganze Nacht mit Mäki im Hotel Vaakuna verbracht zu haben. Da auch das Gästebuch des Hotels eine entsprechende Eintragung enthielt, konnten wir Mäki wohl von der Liste der Verdächtigen streichen.
«Du warst aber lieb zu dem Kleinen», feixte Koivu, als
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