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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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wir zurück zum Auto gingen.
    «So einen niedlichen Knaben werd ich doch nicht quälen! Aber mal im Ernst, ich hab bei der Sitte massenhaft solche Typen gesehen. Die lassen sich weder durch Drohungen noch durch gute Ratschläge zur Einsicht bringen, bevor es zu spät ist.»
    Über die Tuusulantie fuhr ich auf die äußere Umgehungsstraße und fand ohne Koivus Hilfe die Verkaufsstelle für landwirtschaftlichen Bedarf, wo Timo arbeitete. Die Traktoren und Mähdrescher auf dem Hof riefen Erinnerungen an meine Kindheit wach, an die Sommer, in denen ich auf dem Hof meines Onkels Pena bei der Heuernte geholfen hatte. Ich hatte damit geprahlt, dass ich mehr Heu aufgabeln konnte als mein zwei Jahre älterer Vetter, und hatte sowohl den Pferdewagen als auch den Traktor gelenkt. Meine kleinen Schwestern waren es zufrieden, unserer Mutter beim Kochen zu helfen. Mutter hatte diese Sommer auf dem Land nicht gerade genossen, denn sie stand den ganzen Tag in der Küche – Onkel Pena war nicht verheiratet – und bereitete das Essen für die Erntehelfer zu. Wahrscheinlich hätte sie viel lieber auf der Wiese gesessen und Agatha Christie gelesen. Ich hatte mir natürlich eingebildet, sie hätte sich ihren Part selbst ausgesucht. Damals glaubte ich, Erwachsene täten immer nur, was sie wollten.
    Timo war gerade dabei, mit einem Traktor Düngemittelsäcke auf den Hof zu fahren. Er war merklich erschüttert, als ich ihn aufforderte mitzukommen. Ich erklärte seinem Chef, dass ich Timos Unterstützung bei wichtigen Ermittlungen brauchte. Ich wollte seinen Ruf nicht unnötig schädigen, fragte mich allerdings, warum ich eigentlich so rücksichtsvoll handelte.
    «Ich hätte Sirkku und dich gestern schon vernommen, aber ihr wart nicht in der Stadt», sagte ich vorwurfsvoll, als Timo auf der Rückbank saß. «Hatten wir nicht abgemacht, dass ihr mich informiert, bevor ihr wegfahrt?»
    «Wir waren doch nur in Muuriala, bei meinen Eltern …», meinte er verwundert. «Wir dachten, am Wochenende würdest du uns sowieso nicht brauchen.»
    Wir fuhren in die Innenstadt. Ich ließ Koivu mit Timo in dem gesetzwidrig auf dem Bürgersteig parkenden Wagen zurück und spazierte in die Kosmetikabteilung des großen Kaufhauses, wo Sirkku jobbte. Sie war, passend zum Arbeitsplatz, auffällig, wenn auch nicht gerade schön geschminkt. Alles war eine Spur zu reichlich aufgetragen, und der pinkfarbene Lippenstift stand ihr nicht. Im künstlichen Licht des Kaufhauses sah sie aus wie eine überdimensionale Puppe. Da entdeckte ich mein eigenes Gesicht in einem Schminkspiegel und wandte schleunigst den Blick ab.
    «Sirkku, so wie die Dinge stehen, muss ich dich jetzt nach Pasila mitnehmen, zur Vernehmung. Wo ist deine Chefin? Ich sag ihr Bescheid.»
    Sirkku suchte am Verkaufstisch Halt und stieß dabei an die Schnupperfläschchen, die klirrend herunterfielen. Dann sah sie mich so erschrocken an, dass eine Frau, die uns aus einiger Entfernung beobachtet hatte und aussah wie eine Doppelgängerin der Dynasty-Krystle, herbeieilte und fragte, was denn los sei. Es war die Abteilungsleiterin.
    «Ich brauche die Unterstützung von Fräulein Halonen bei meinen Ermittlungen. Ich bringe sie in zirka einer Stunde zurück.»
    Sirkku zog ihren Kittel aus und stempelte ihre Stechkarte. Womöglich zog man ihr für die Zeit der Vernehmung den Lohn ab. Wie idiotisch von mir, dass ich mir darüber Gedanken machte! Als sie Timo im Wagen erblickte, wurde ihr Gesicht unter dem Make-up bleich. Ich bat Koivu, sich zu Timo auf die Rückbank zu setzen, und ließ Sirkku auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Ihre Fingerspitzen mit den rosa lackierten Nägeln zitterten. Eigentlich konnte ich mir meine Fragen ersparen. Mit ihrem Verhalten hatte Sirkku schon eine ganze Menge zugegeben.
    Sie beruhigte sich ein wenig, als sie in meinem Zimmer saß und mit Timo Händchen halten konnte. Koivu holte für die beiden Kaffee und für mich einen Tee. Er selbst hielt sich an Cola. Als ich die Schnapsflasche aus dem Schrank holte, machte er eine erwartungsvolle Geste. Ich bedeutete ihm, er solle sich anständig benehmen, obwohl mich ein Tee mit Schuss auch gereizt hätte.
    «Die Flasche kennt ihr ja wohl. Oder müsst ihr zuerst den Inhalt probieren?» Die beiden warfen sich einen Blick zu, dann sagte Timo mit kraftloser Stimme:
    «Ja, die kennen wir.» Jetzt war auch sein Gesicht erstaunlich blass.
    «Und woher? Du weißt sicher auch, was drin ist?»
    «Schwarzgebrannter», brachte er mühsam

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