Alle Singen Im Chor
so verängstigt gewesen, weil er ahnte, was geschehen würde.
«Anrufe?» Mirja zog die Augenbrauen hoch. «Ich glaube, nur einer, von Jukkas Eltern, als wir gerade in der Sauna waren. Im Hof ist ein Verstärker installiert, daher hat Jukka das Klingeln gehört und ist zum Haus raufgelaufen.»
«Wer war alles in der Sauna?» War jemand im Haus geblieben und hatte Jukkas Telefongespräch mit angehört? Über die Gemeinschaftssauna war ich ein wenig überrascht. Allerdings war eine gut besuchte gemischte Sauna in meinen Augen geradezu ein Hort der Sittsamkeit, denn die nackten Männer sahen ziemlich idiotisch aus mit ihren schlaff baumelnden Pimmeln, die an ungenießbare Pilze im Moos erinnern. Mich konnte das jedenfalls nicht verlocken. Eine Sauna zu zweit war natürlich etwas ganz anderes …
«Antti ist erst später gekommen, zusammen mit Jukka, nach dem Anruf. Timo und Sirkku haben gewartet, bis alle anderen fertig waren.»
«Also könnten zumindest Timo, Sirkku und Antti Jukkas Gespräch mitgehört haben?»
«Bei Timo und Sirkku wäre ich mir nicht so sicher. Die waren irgendwann rudern. Soweit ich weiß, war zu dem Zeitpunkt nur Antti im Haus.»
Ich notierte mir «Antti anrufen» im Hinterkopf und setzte meinen Weg fort. Etwas von dem Eis war mir auf die Bluse getropft, weshalb ich mir eilends das letzte Drittel des Hörnchens auf einmal in den Mund schob. Ich war wirklich adrett heute: Fahrradschmiere an der Hose, Eis auf der Bluse. Wieder in meinem Zimmer, wählte ich Anttis Nummer an der Universität und überlegte dabei, ob ich den Dienstrock aus dem Schrank holen sollte, da kam Koivu hereingestürmt. Es war ihm anzusehen, dass er wieder etwas herausgefunden hatte. Ich legte den Hörer auf, Antti konnte warten.
«Na?»
«Aber ja doch», grinste Koivu. «Unser Vögelchen kannte Peltonen. Sie heißt Tiiu Välbe, ist aber nicht mit Jelena verwandt, sagt sie. Mit der Skiläuferin», setzte er hinzu, als er mein verdutztes Gesicht sah. «Sie hat nämlich mal für ihn gearbeitet. Peltonen hat sie eines Abends im ‹Kaivohuone› angeheuert, um seinen französischen Gästen den Rest des Abends zu versüßen. Danach hat sie ein paar Mal in der Sauna von Peltonens Firma gearbeitet, sozusagen als Saunahostess … Ab und zu hat Peltonen ihr auch einzelne Kunden vermittelt. Offenbar ebenfalls Firmengäste, sie wusste weiter nichts darüber.»
«Wann war das alles?»
«Im Sommer vor einem Jahr hat es angefangen. Ihren letzten Auftrag hatte sie im Mai dieses Jahres.»
«Aber Jukka war nicht ihr Zuhälter?»
«Nein … eher ein Vermittler. Er hat sie mit guten Kunden zusammengebracht, statt ihr Geld abzuknöpfen.»
«Woher diese Wohltätigkeit?», wunderte ich mich, denn das schien nicht recht zu Jukkas Charakter zu passen. Andererseits hatte er ja auch Jyri anfangs ganz freundlich geholfen, und am Schnapsgeschäft hatte er Sirkku und Timo mitverdienen lassen. Und er hatte widerspruchslos Mirjas Abtreibung bezahlt. War Jukka im Grunde seines Herzens doch großzügig gewesen, ein «guter Kumpel»?
«Eine Tiina wurde auch regelmäßig von Jukka vermittelt. War auf dem Anrufbeantworter nicht was von einer Tiina? Tiiu behauptet, diese Tiina hätte was mit dem Drogenhandel zu tun.»
«Und wo finden wir sie? Hast du ihre Adresse?»
«Nein, aber angeblich sitzt sie im Sommer montagsabends immer im ‹Pikkuparlamentti›. Ich hab sie mir beschreiben lassen.»
«Hast du was dagegen, wieder Überstunden zu machen? Versuch, diese Tiina zu finden!»
«Ist die die Mörderin?»
«Glaub ich nicht. Aber es kann gut sein, dass sie uns den Schlüssel zu diesem Fall liefert. Ruf mich sofort an, wenn du sie gefunden hast, wenn nötig, verhaftest du sie. Ich komm dann aufs Präsidium und sprech mit ihr. Ruf mich auf jeden Fall an, wenn das Lokal schließt. Ich glaub, die Gnadenfrist, die uns der Chef gegeben hat, reicht, um den Fall abzuschließen.»
Nachdem Koivu gegangen war, versuchte ich noch einmal, Antti an der Universität zu erreichen, aber am Institutsanschluss lief der Anrufbeantworter. Ich probierte es mit seiner Durchwahl, wo ich gar keine Antwort bekam, und mit der Nummer der Bibliothek, wo ein verschlafener Typ mir die Auskunft gab, Antti sei den ganzen Tag nicht im Haus gewesen. Mein Anliegen war zwar nicht sehr wichtig, aber ich ärgerte mich trotzdem. Vielleicht durften wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität sich an schönen Sommertagen an den Strand legen. Vielleicht war Antti aber auch mit Einstein
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