Alle Singen Im Chor
aufgeben.
«Aber tot ist Antti nicht», sagte Marjatta Sarkela schließlich. «Tiere wissen so was. Einstein ist keine besonders intelligente Katze, aber er würde es spüren, wenn Antti etwas zugestoßen wäre. Und er verhält sich ganz normal, sitzt hier zu meinen Füßen und schnurrt erwartungsvoll. Um diese Zeit bekommt er immer sein Futter.»
Ich hoffte, die Katze hatte Recht, obwohl das bedeuten konnte, dass ihr Herrchen einen Mord begangen hatte und vor der Polizei auf der Flucht war. Armer Einstein. Für ihn war eine Alternative so schlecht wie die andere.
Es war erst neun. Koivu und Helminen würden kaum vor Mitternacht aus dem «Pikkuparlamentti» zurückkommen. Am besten fuhr ich nach Hause und versuchte, ein paar Stunden zu schlafen. Die Jungs wollten ja anrufen, wenn das Lokal zumachte.
Ich radelte in Windeseile nach Hause, zog mich um und ging joggen. Der erste Kilometer war mühsam wie immer, aber danach machte mir das Laufen allmählich Spaß. Die kühle Abendluft reinigte meine Lungen, meine steifen Schultern lockerten sich. Der Schweiß lief mir übers Gesicht, die Schritte wurden immer leichter. Erst in Seurasaari zwang ich mich umzukehren, irgendwann musste ich ja auch schlafen.
Als ich aufwachte, stand die Sonne hoch am Himmel. Es war halb acht, ich hatte fast zehn Stunden geschlafen. Die Jungs hatten nicht angerufen. Was war passiert?
Im gleichen Moment begriff ich, wieso mein Telefon stumm geblieben war. Ich hatte gestern früh den Stecker herausgezogen, weil ich befürchtete, meine Mutter würde um sechs Uhr vom Flughafen aus anrufen, nur um mir zu sagen, dass sie ihre Zahnbürste auf dem Waschbecken liegen gelassen hatte. Fluchend stöpselte ich das Telefon wieder ein, stellte die Kaffeemaschine an und wählte die Nummer des Präsidiums.
«Koivu und Helminen sind noch nicht im Haus», beschied mich die Zentrale kühl. Dafür hatte der Dienst habende Beamte in meiner Abteilung eine Nachricht von Koivu für mich: «Wir haben Tiina gefunden und nette Geschichten gehört. Kein Grund zur Festnahme. Machst du Jagd auf Sarkela? Ich komme um acht.»
Hastig trank ich meinen Kaffee und verschlang den Rest des Zwiebelkuchens. Meine bessere Jeans war immer noch voll Fahrradschmiere. Ich zog die schlechtere an, die ausgeblichen und an den Leisten geflickt war. Um sie nicht auch noch zu verschmieren, fuhr ich mit der Straßenbahn zur Arbeit. Ich hatte verschlafen, kam zu spät, war hungrig, schlecht gelaunt und neugierig.
Zu allem Überfluss war Koivu wegen irgendeines Raubes mit Kinnunen in Jakomäki, und Tapsa war zu einer Hausdurchsuchung unterwegs. Hoffentlich handelte es sich um Mattinens Wohnung. Ich wurde Hals über Kopf zum so genannten Cholera-Becken, dem kleinen Hafenbecken am Marktplatz, kommandiert, um einen Ertrunkenen in Augenschein zu nehmen. Erst nach zwölf war ich wieder in Pasila. Koivu war inzwischen da gewesen, aber gleich wieder zum nächsten Einsatz verschwunden. Dafür erreichte ich Tapsa. Wir verabredeten uns für eine halbe Stunde später zum Mittagessen.
Das Labor hatte wieder schnell gearbeitet. Man hatte Mattinens Fingerabdrücke an Jukkas Auto gefunden und Spuren von Kokain im Erste-Hilfe-Kasten. Offenbar waren erst kürzlich kleine Mengen des Stoffs zwischen den Verbandspäckchen aufbewahrt worden. Die meisten Fingerabdrücke befanden sich an den Nummernschildern, die offensichtlich mehrmals abgeschraubt worden waren.
Mir war vor Hunger und Spannung ganz schlecht. Ich hatte Zwiebelgeschmack im Mund, als ich die Treppe zur Kantine hinunterlief. Tapsa war noch nicht zu sehen. Während ich auf ihn wartete, zwang ich Salat und Gemüseauflauf herunter. Dann stand auf einmal Helminen in der Schlange vor der Essensausgabe, glatt rasiert und im frisch gebügelten Hemd. Er kam mit einem voll geladenen Tablett an meinen Tisch: Hackfleischsoße, fünf Kartoffeln, zwei Glas Milch, drei Scheiben Brot. Unsere Besprechung würde sich offenbar in die Länge ziehen.
«Ich komme gerade aus Mattinens Wohnung. Vermisst du die hier?» Tapsa zog einen kleinen Klarsichtbeutel mit Autoschlüsseln aus der Jackentasche. Durch das Plastik hindurch sah ich einen bekannten Schriftzug: Opel Vectra. Ich hätte ziemlich viel darauf gewettet, dass es sich um das eine der beiden fehlenden Schlüsselbunde handelte.
«Das geht gleich ins Labor. Mattinens eigenes Auto haben wir auf dem Parkplatz gefunden. Es ist ein uralter VW, an den die Nummernschilder, die in seiner Wohnung lagen, gar nicht
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