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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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musstest?
    Wieso wusstest du dann nicht, wohin du gehen musstest?
    Ich hatte mich verirrt.
    Ich hatte mich verirrt.
    Im Park?
    Nein, schon vorher.
    Nein, schon vorher.
    Das verstehe ich nicht, hätte Omar gesagt. Ja nje panjimaju.)

    Jetzt: Hallo, sagte der Erwachsene schüchtern. Ich soll dich abholen.
    Ich weiß, sagte das Kind mit dem Charisma seines unbekannten Vaters und der ruhigen Stimme seiner verwundeten Mutter. Er schulterte den Ranzen. Ich will nicht ins Krankenhaus, ich will nach Hause. Ich habe Hunger. Danke, ich kann die Tasche selbst tragen. Wozu das Taxi? Es sind nur zwei Bushaltestellen. Was ist los? Bist du noch nie Bus gefahren?
    Nein, sagte Abel. Ja njikagda nje jechal n’avtobuse.
    Der Junge sah ihn an. Eins: Russisch zu sprechen heißt, an etwas anzuknüpfen, was war, in der Hoffnung, dass es noch da ist. Mit anderen Worten: eine klare Anbiederei. Zwei: Musste das Kind jetzt doch schmunzeln, den Kopf schütteln: Wie kann man so ein… sein. Abgesehen davon blieb es streng.
    Er ist da, sagte Omar zum Bus und stieg ein. Abel blieb nichts weiter übrig, als ihm zu folgen. Omar ging durch in die Mitte des Fahrzeugs. Sofort wurde es eng, Körper, dicht an dicht. Abel konzentrierte sich auf das Schädeldach des Jungen, trotzdem wurde ihm irgendwann die Hand rutschig. Gerade, als sie nicht mehr auf der Stange zu halten war, sagte Omar: Hier!
    Sie stiegen aus, gingen durch den Park. In den Fußballkäfigen wurde gespielt. Omar sah aus den Augenwinkeln, dass der Mann neben ihm nass geschwitzt war. Dabei ist es heute das erste Mal kühl. Was ist mit dir? Er fragte nicht. Aber wenn es so weitergeht, werde ich ihm schneller verziehen haben, als …

    Sie wohnten nicht mehr dort, wo sie früher gewohnt haben, sie hatten jetzt eine eigene Wohnung in so einer netten Straße mit Bäumen, unweit des Parks. Auf der Frontseite des Hauses ein Flaschenzug: fürs Klavier . In der Wohnung erkannte Abel einige der ihm während einer früheren Führung erklärten Gegenstände in neuer Zusammensetzung. Die afrikanische Statue auf der Bauernkommode. Das Kind ging in die Küche, Abel versuchte, die relevanten Personen zu erreichen.
    Ich weiß, wer Sie sind, unterbrach Miriam sein Stottern am Telefon. Schon wieder so eine geradlinige Stimme. Was macht er jetzt?
    Er holt einen Topf aus dem Küchenschrank. Er will Nudeln mit Mais kochen.
    Gut, dann essen Sie eben mit ihm. Ich fahre ins Krankenhaus.
    Aufgelegt.
    Es ist etwas unerklärlich Angenehmes an diesem Ganzen. Ach, Sie sind das, nein, wir fahren nicht zuerst ins Krankenhaus, wir nehmen kein Taxi, ich weiß, wer Sie sind, essen Sie mit ihm, hilfst du mir?
    Der Junge mit einer Maisdose und einem Öffner in der Hand. Abel öffnete die erste Maisdose seines Lebens. Butterweiches Metall. Etwas unerklärlich Angenehmes.
    Später geriet die Küchenuhr in Abels Blickfeld, und der Rucksack und die Reisetasche fielen ihm ein, die er im Kofferraum des Taxis zurückgelassen hatte. Mit allem drin: schwarzer Kleidung, der Ruine eines Buches mit den Abbildungen nackter Knaben, die er die ganze Zeit mitgeschleppt hatte, weil er wusste, Kinga würde seine Sachen durchstöbern, sowie dem beinahe abgelaufenen Reisepass einer untergegangenen Föderation. Darum müsste man sich auch kümmern, andererseits kann man es ebenso gut auch lassen, die Sachen sind futsch, und zwar endgültig, kein Grund mehr zur Eile, er konnte ebenso gut auch hier bleiben und sich den Richtungsanweisungen dieser klaräugigen Familie überlassen.
    Fertig?
    Abel nickte ergeben. Als er dem Jungen die Dose übergab, fiel sein Blick auf die Zahlenreihe, die auf den Deckel gedruckt war: 05.08.2004. Für einen Moment war ihm, als könnte das das heutige Datum sein.

    Danke, sagte Miriam, als sie schließlich kam. Das war reizend von Ihnen. Wenngleich man mit Omar nicht viel Mühe hat. Er ist ein großer Junge. Habt ihr gegessen? Habt ihr euch gut unterhalten?

    Omar hatte das Essen auf zwei tiefe Teller verteilt und sie wortlos auf den Küchentisch gestellt. Sein ehemaliger Russischlehrer nahm ebenso wortlos Platz. Alte Ehe. Im Großen und Ganzen schwiegen sie.
    Es tut mir Leid, sagte schließlich Abel, ich musste zu plötzlich weg, ich konnte mich nicht mehr verabschieden, du hast Recht, ich hätte das tun sollen, das wäre das Mindeste gewesen, zur Strafe habe ich meine Wohnung, meinen Computer und sämtliche meiner Jobs verloren, ich sage das nicht, um Mitleid zu erheischen, verdient ist verdient, ich habe dich

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