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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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hier drin der Geruch parfümierten Schmutzes. Keiner sagte ihm, er solle gehen, man räumte wortlos auf. Thanos, Gläser einsammelnd, näherte sich langsam seiner Nische. Als er die Gläser vom Tisch räumte, sah er ihn an, sagte aber immer noch nichts. Auf der gepolsterten Sitzfläche neben Abel balancierte ein halb volles Glas mit brauner Flüssigkeit, das Thanos fast übersehen hätte. Er gab es ihm.
    Danke, sagte Thanos. Was ist los mit dir? Hast du keine Wohnung?
    In der Tat, sagte Abel.
    Soso, sagte Thanos und brachte die Gläser weg.
    Kam wieder, bot ihm eine Zigarette an.
    Abel schüttelte den Kopf.
    Du achtest doch nicht etwa auf deine Gesundheit? Du hast mindestens sechs Himmel-und-Höllen intus, vielleicht auch sieben. Eigentlich müsstest du tot sein.
    Ich kann nicht betrunken werden.
    Wie kommt’s?
    Achselzucken. Es schmeckt wie Wasser und hat circa dieselbe Wirkung.
    Du bist schön, sagte der Wirt.
    Was soll man darauf sagen.
    Ein bisschen zu alt schon, vielleicht.
    Pause.
    Außerdem schaust du lieber nur zu, was?
    - - -
    Nach (wie vielen?) Jahren fragte Thanos seinen Stammgast: Wo kommst du her?
    Darauf antwortete er endlich was.
    Verstehe, sagte Thanos.
    Irgendwo, in einem hinteren Raum, ging ein Staubsauger an.
    Du suchst also eine Wohnung, sagte Thanos und vermietete ihm ein illegales Dachgeschoss für lächerlich wenig Geld.
    Abel bedankte sich, steckte den Schlüssel ein. Für den Rückweg von Kingania ins Bahnhofsviertel nahm er ein Taxi.

Omar
    Ach, Sie sind das, sagte Mercedes.
    Danach konnte sie eine Weile nicht mehr sprechen. Andere kamen hinzu, halfen, sie unter dem Taxi hervorzuziehen, die Blumen schlierten weiß und grün über den Gehsteig. Der Schmerz war jetzt auch da, sie hielt sich krampfhaft an seiner Hand fest, ihr Haarrand war verschwitzt.
    Später hatte sie eine Nadel im Handrücken, und es wurde besser. Sie erkannte ein Krankenzimmer, fragte nach ihren Sachen. Er hatte ihre Sachen. Tasche, Telefon, sogar das Buch und der zerfledderte Blumenstrauß lagen auf einem Stuhl. Die zerstörten Blumen erinnerten sie an ihren Knöchel, sie mochte nicht hinsehen, aber auch nicht sagen, er oder jemand anderes solle den Strauß endlich wegwerfen.
    Würden Sie mir einen Gefallen tun?
    Ihr das Telefon geben. Bevor sie zu ihrer komplizierten Knöcheloperation geholt wird, erledigt sie einpaar Telefonate.

    Sechs Tage die Woche, von neun bis fünfzehn Uhr, hört Omars Großvater das Telefon nicht, weil es zu dieser Zeit, seiner Arbeit szeit, in seinem Arbeit szimmer stumm gestellt ist, aber das spielt meistens keine Rolle, denn die Großmutter des Kindes ist da, oder wenn sie nicht da ist, dann ihr Anrufbeantworter. Aus nie aufgeklärten Gründen kam an diesem Tag nur ein wiederholtes »Kein Anschluss unter dieser Nummer« aus der Leitung. Bei Tatjana funktionierte alles, aber sie war nicht in der Stadt, eine Reportage irgendwo, ungeduldige Stimme: Was gibt’s, ich bin mitten in irgendwas. Nicht so wichtig, sagte Mercedes. Erik oder vielmehr Maya wären noch eine Möglichkeit gewesen, aber aus ebenfalls nicht näher geklärten Gründen entschied sich Mercedes dafür, den halbfremden ehemaligen Russischlehrer ihres Sohnes, der, nebenbei bemerkt, ohne ein Wort gesagt zu haben, für Monate verschwunden war, bevor er unter romanhaften Umständen wieder auftauchte, als Fahrgast des Taxis, das sie ohne ersichtlichen Anlass am Rande eines aus noch unbekannten Gründen ausgebrochenen Feuers anfuhr, um einen weiteren Gefallen zu bitten. Ob er ihren Sohn von der Schule abholen könnte.
    Er war nicht überrascht, zögerte nicht. Er sagte ja.
    Und versuchen Sie bitte, meine Mutter zu erreichen.
    Und sank in den Schlaf.

    Omar wartete schon vor der Schule, auf der dritten Treppenstufe, so waren sie gleich groß, Augen auf Augenhöhe, die des Jungen blinkten kalt.

    (Und? Hast du ihn gefunden? hätte Omar gefragt.
    Wen? hätte Abel zurückgefragt.
    Den Bahnhof.
    Po russki, poschalujsta.
    Woksal.
    Im ganzen Satz bitte.
    Ti …
    Naschol. Nachadjit, naidtji.
    … naschol woksal?
    Da.
    Willst du verreisen?
    Abel hätte den Satz auf Russisch niedergeschrieben und ihn vorgesprochen, Omar hätte ihn wiederholt.
    Willst du verreisen?
    Njet, ja ne chatschu ujechatj.
    Nein, ich will nicht verreisen.
    Wolltest du jemanden abholen?
    Wolltest du jemanden abholen?
    Nein.
    Was wolltest du dann dort?
    Was wolltest du dann dort?
    Ich wohne in der Nähe.
    Ich wohne in der Nähe.
    Wieso wusstest du dann nicht, wohin du gehen

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