Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
Vom Netzwerk:
Körper, noch ein einziges lautes Wort zu wem auch immer, und ich bin weg, sag ihm das!
    OK, sagte Kontra, ich sag’s ihm.
    Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun, log jetzt Kontra Kinga an, plötzlich zum Wortführer geworden. Das eine war irgendein Irrer nach einem Konzert. Und das Kind ist einfach so ausgestiegen. Er wird sich schon wieder melden. Er hat schließlich noch meinen Pass.
    Ts! entfuhr es Janda. Dann tat er so, und die anderen auch, als hätte er nur niesen müssen.
    Zeig! Kinga nahm Kontra Abels Pass weg, sah sich das Foto darin an, brach erneut in Tränen aus. Marschierte los, den Pass in der Hand.
    Was hast du vor?
    Bumm, die Tür zu. Kurze Zeit später kam sie zurück, mit einer Kopie des Passfotos, einer für Texte , flach und schwarzweiß, und hängte sie in der Küche auf.
    Damit ihr ihn nicht vergesst!
    Janda sagte immer noch nichts, aber er spazierte hin und riss ohne jede Regung, mit einer Hand, das Stück Papier herunter, zerknüllte es, warf es in den Müll. Kinga wartete, bis er aus der Küche gegangen war, holte das Papier aus dem Müll. Kaffeesatz klebte daran. Sie säuberte das Blatt, aber die Flecken ließen sich nicht ganz entfernen. Sie hängte es fleckig wieder auf. Später verließ sie die Wohnung, und als sie wiederkam, war das Blatt verschwunden, der Müll ebenfalls, und es war niemand da, mit dem sie einen Streit hätte anfangen können. Dabei blieb es.
    Notfalls könnte man ihn übers Rote Kreuz suchen lassen, sagte später Andre.
    Wen willst du suchen? fragte Kontra und winkte ab. Ein erwachsener Mann treibt sich herum, wo, wann und solange er will.
    Kinga hatte getrunken, lag zusammengerollt auf einer Matratze, schniefte manchmal leise. Madame …

    Später, es war schon Herbst, hatten sie sich einigermaßen regeneriert. Kinga hatte die Madame verwunden, und auch die Musiker sprachen wieder miteinander, nachdem in den heimlich abgehörten Nachrichten nirgends die Rede von einer Leiche war. Vielleicht hatte er sich nur tot gestellt oder war ohnmächtig gewesen, das hat schließlich keiner nachgeprüft. Kinga wusste, dass sie etwas verschwiegen, aber erst hatte sie genug mit sich selbst zu tun, und später, nachdem alles wieder verheilt war, wollte sie nicht …
    Sie kam gerade aus dem »Bad«, ein Morgen im Herbst, ihr sauberer Unterkörper in speckigen Jeans, an den Taschen grünlicher Schimmer, ihre Finger dampften noch warm, als er auf einmal in der Tür stand.
    Tag.
    Sie jauchzte, sie konnte wieder jauchzen: Da bist du wieder! Er ist wieder da!
    Sie sprang ihn an, er schwankte, sie nahm sein Gesicht in die Hände: Wo warst du? Wie siehst du aus?
    Schwer zu sagen. Wie immer. Etwas zerfetzt. Viel unterwegs gewesen in letzter Zeit.
    Wo, unterwegs?
    Ich kann mich nicht erinnern, dass er irgend etwas Brauchbares geantwortet hätte. Unterwegs eben.
    Leider, sagte er, müsse er auch gleich wieder gehen. Er sei nur gekommen, um seine restlichen Sachen zu holen.
    Er war seit dem Abend zuvor in der Stadt, und wieder einmal hatte ihm jemand noch vor dem Morgengrauen ein neues Asyl angeboten. Kinga blieb das nächste Dutzend Fragen – Aber wer, wo, wie, warum? – in der Kehle stecken. Sie sah nur zu, wie er Kontra das Sakko mit Inhalt wiedergab. Er hatte etwas vom Geld ausgegeben, nicht viel. Du kriegst es wieder.
    Danke, sagte Kontra und gab ihm seine Sachen.
    Danke, sagte Abel und nahm die zwei schwarzen Reisetaschen. Er küsste Kinga auf die Wange. Den Musikern nickte er zu.
    Sie nickten stumm zurück.

    Er war mit dem Zug gekommen, wie beim ersten Mal, nur diesmal war es abends, und er kam aus einer anderen Richtung. Jenseits des Perrons glänzte die Bastille in der untergehenden Sonne. Er fuhr nach Kingania, aber dort war niemand. Er fuhr zurück zum Bahnhof, deponierte sein Gepäck in einem Schließfach und ging in die Stadt.
    In der Klapsmühle kreiste ein untersetzter Unbekannter seinen Glitzertanga vor seinem Gesicht, er schaute an ihm vorbei, vielleicht zur Schaukel hoch, wo sich eine engelweiß gekleidete Dragqueen über den Köpfen der Tanzenden hin und her schwang. Die Musik war ohrenbetäubend, aber ansonsten war es still. Keiner sprach mehr als unbedingt notwendig. Ab und zu hielt er sein leeres Glas hoch, der Wirt schenkte nach.
    Später war es morgen, und alle waren gegangen, nur Abel saß noch in der Ecke, in die er sich ganz zu Beginn gesetzt hatte, bis an den Kragen zugeknöpft. Die Eisentür zum Hof stand offen, ein Viereck hellen Sonnenscheins, Luft,

Weitere Kostenlose Bücher