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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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dämmerte.
    Beantworte mir eine Frage, Antoninus, sagte die Stimme neben seinem Ohr. Magst du Austern oder bevorzugst du Schnecken?
    Sieht mich verständnislos an.
    Sie versetzte ihm mit ihrem Becken einen Stoß. Hä?! Ihr Gesicht war ein einziges Auge. Hm?
    Sie rückte etwas ab, lächelte. Er lächelte auch und sagte leise: Das geht dich überhaupt nichts an.
    Wenn ein dem Weinen nahes Lächeln aus einem Gesicht fällt.
    Arschloch, sagte sie, stieg von ihm, verschwand durch die Luke nach unten. Er blieb.
    Später kamen die anderen wieder, sahen sich fröstelnd den Sonnenaufgang an. Kinga war nicht dabei. Er stieg hinunter.
    Sie stand in der Küche, allem Anschein nach nüchtern, hantierte mit Kaffee. Er setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe. Sie sprachen kein Wort.
    Wo ist der Schlüssel, fragte Janda. Es wollen welche gehen.
    Sie tat so, als hörte sie ihn nicht. Hantierte summend.
    Kinga! sagte Janda streng. Wo ist der Schlüssel?
    Welcher Schlüssel, Süßer?
    Janda hatte keine Zeit oder keine Lust, erfahrungsgemäß bringt eine Diskussion überhaupt nichts, er trat zu ihr, fasste ihr in die Hosentasche.
    Als würde man ein Ferkel schlachten: Sie kreischte, strampelte, wälzte sich auf dem Küchenboden, die Partygäste im Halbkreis daneben. Scheiße, sagte Kontra. Andre stand mit versteinertem Gesicht da. Als Kingas Bluse riss, griffen endlich welche ein. Sekunden später war die Küche ausgefüllt von der Rangelei, jemand trat gegen Abels Stuhl, ein lockeres Stuhlbein riss krachend aus der Halterung, aber noch bevor das Wrack auf dem Boden aufgekommen wäre, stand er, trat über die Rangelnden hinweg. Kontra schüttelte eine Sodaflasche, Andre als Einziger sah, wie Abel auf die Tür zuging. In dem Moment, als das aufgeschüttelte Wasser über den Kämpfenden ausbrach, öffnete das Kind die Tür und ging.
    Das war einen Tag, bevor er den Heiratsantrag bekam. Danach hat man sich längere Zeit nicht mehr gesehen.

Das Drachen-Spiel
    Die Hochzeit war zu Frühlingsbeginn. Irgendwann im Mai, sobald es das Wetter erlaubte, fuhr die kleine Familie ans Meer.

    Ein Tag zwischen Sonnenbrand und Erkältung, die Sonne schien hell, aber der Wind war noch frisch, man schwitzte und fror zugleich. Mercedes’ nackte Füße wurden kalt im Sand, aber haltet durch, es geht um Ehre und Status, Vaterland und Familienalbum. Der Drache flatterte in einer Böe, Omar hielt die Schnüre, Abel stand hinter ihm und tat so, als würde er Hilfestellung leisten, aber seine Hände berührten die des Jungen nicht. Auf dem Foto werden die linken Hände abgeschnitten sein, in den Gesichtern wird Innigkeit und Freude geschrieben stehen. Mercedes ruinierte weit über die Hälfte der Bilder, weil sie spielte, dass sie eine stürmische Fotografin ist, damit die anderen beiden lachten, und sie lachten auch, weil irgend etwas an Abel Omars Ohr kitzelte. Du kitzelst! Auf die Taucherbrille des Jungen prasselten aufgewirbelte Sandkörner ein. Ein schöner Tag. Plötzlich:
    He! He! Bist du das? Kurva , Abelard, was machst du hier?
    Sie kickte barfüßig Sand gegen seine Waden, sprang ihm auf den Rücken, umklammerte ihn mit den Beinen, boxte ihn in die Seiten, der Drache geriet klappernd in Turbulenzen. Nicht im Familienalbum: Bild einer fremden Frau, den Gatten niederringend.
    Fotzedeinermutter, was machst du hier?
    Blick zum Jungen, der den Drachen zu bändigen versuchte, die Frau mit der Kamera bemerkte sie gar nicht. Abel hatte Sand im Mund.
    Wir lassen Drachen steigen, informierte der Junge die fremde Frau. Das heißt: Wir haben Drachen steigen lassen.
    Er hatte sich die Brille auf die Stirn geschoben, ein Auge ist starr, aber das merkt man nicht auf den ersten Blick.
    Kinga sah ihn an wie ein Ding.
    Hallo, sagte Omar. Ich bin Omar.
    Tag, sagte Mercedes, die inzwischen bei ihnen angekommen war.
    Abseits, nah am Wasser, ein jüngerer Kerl, er gehörte zu Kinga, streckte den Hals, kam aber nicht näher, zertrat mit der Fußspitze angespülten Schaum. Eine Weile standen alle herum. Dann, Mercedes:
    Können wir helfen? (Wer sind Sie?)
    Kinga zu Abel: Wer ist das?
    Mercedes, freundlich: Ich bin Mercedes. Freut mich.
    Sie streckte eine kleine, braune Hand vor. Kinga starrte drauf. Ein Ehering. Sie nahm Abels Hand: derselbe. Dünn, aus Gelbgold. Mercedes zog die Hand zurück, um sich die Augen zu beschirmen.
    Kinga: Hast du dich deswegen nicht mehr gemeldet?
    Als hätte sie bei »deswegen« mit dem Kopf geruckt: wegen denen da. Ihr Mund stank nach Tabak

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