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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Schiff: Titanic. Das Dach ist das Oberdeck, das Wohnzimmer das Unterdeck! Um uns herum die dunklen Gewässer der Stadt! Um acht gehen die Schleusen hinter uns zu! Alle Mann an Bord! Rückkehr erst bei Sonnenaufgang!
    Ihre Jeans war frisch gewaschen, sie trug eine rote Bluse, war geschminkt und gekämmt, hinter ihrem Ohr klemmte eine Stoffkamelie. Die Kamelie hing etwas traurig herunter, aber sie selbst lachte. Die Lippen glänzten feuerrot, die Oberlippe war rasiert, mit derselben Klinge, mit der sie auch die Achselhöhlen bearbeitete: einpaar kleinere Schnittwunden, macht nichts, sie stand breitbeinig über dem Schornstein, wedelte mit den Armen und lachte schreiend.
    Ist euch klar, fragte Kontra, dass sie tatsächlich die Tür abgeschlossen hat?
    Ihr wollt doch nicht auf hoher See aussteigen? Hallo, mein Kleiner, sagte sie zu Abel. Na, auch hier? Und schwebte fröhlich an ihm vorbei. Muss mich um meine Gäste kümmern.
    Später stellte sich heraus, dass sie auch sämtliche Teller und das ganze Besteck versteckt hatte. Den einzigen Löffel, einen bemalten aus Holz, hielt sie in der Hand. Ging mit einem Topf und dem Löffel herum und füllte etwas von Janda Gekochtes, rot und scharf, in die Münder. In einem Köcher führte sie eine Flasche Schnaps mit sich, goss ihn hinterher. Tssssch! Zum Löschen . Überhaupt musste aus den Flaschen getrunken werden, denn auch sämtliche Gläser waren verschwunden. Gibt’s ein Problem, ihr Wohlstandskrüppel?!
    Abel saß mit dem Rücken an der Brandmauer, sie blieb mit dem Löffel vor ihm stehen. Er schüttelte den Kopf. Sie gluckste, hielt den Löffel näher an seine Lippen. Er schüttelte den Kopf. Sie lachte auf, als hätte man sie gekitzelt, und schmierte ihm mit dem Löffel das Chili über die geschlossenen Lippen. Es rann ihm übers Kinn, fiel ihm in den Kragen, kroch, eine rote Spur ziehend, seinen Bauch hinunter. Kinga lachte. Sie nahm die Flasche, goss ihm Schnaps ins Gesicht, wusch ihn, wie damals, weißt du noch, die Beule, und lief lachend davon.
    Später wollte sie, dass es nicht nur im Unterdeck Musik gab. Alle Mann an Deck! Die Kapelle auch!
    Nein, sagte Janda, aber schließlich saßen sie doch oben, am Fuße des Schornsteins, und spielten, so leise sie konnten. Sie tanzte mit einer brennenden Kerze auf dem Kopf. Die Flamme flatterte, das Wachs lief ihr in die Haare, sie jauchzte, sie roch verbrannt. Später tat sie so, als würde sie Anlauf auf den Rand des Daches nehmen. Juhuuuuuu! Die Kerze ging aus und fiel hinunter, die Musiker, erst Janda, dann die anderen zwei, hörten mitten im Lied zu spielen auf.
    Spielt! schrie sie. Seht ihr nicht den Eisberg?
    Janda verschwand durch die Luke nach unten, die anderen beiden und die meisten Gäste folgten ihm. Abel blieb. Hast du Angst, ich springe sonst? Sie lachte. Tanz mit mir!
    Unten haben sie wieder angefangen zu spielen, zumindest, soweit man es hören konnte, Andre und Kontra, irgendwas musste getan werden, während Janda den Schlüssel für die Eisentür suchte.
    Das Kind hat noch nie in seinem Leben getanzt. Wird diesmal auch nicht damit anfangen. Er blieb sitzen. Sie zerrte eine Weile an ihm, schließlich gab sie auf, ließ sich neben ihn fallen. Au! Sie war auf der Kerze gelandet. Sie lachte.
    Am müdesten Punkt der Nacht saßen Kinga und Abel allein an der Brandmauer. Um sie herum die Silhouetten der Stadt. Bäume in manchen Höfen. Dunkle, eiserne Anlagen. In der Ferne Kräne vor dem Hintergrund des sich langsam orange färbenden Himmels. Eine Herde Giraffen in den Savannen. Sie drehte sich zu ihm, setzte sich rittlings in seinen Schoß. Räkelte sich, als suchte sie nur nach der bequemsten Position, aber das unentwegt. Sie räkelte sich ernsthaft, konzentriert. Durch die harte Jeans wanderte langsam die Wärme ihres Körpers. Sie drückte ihm die Knie in die Seiten, umfasste mit beiden Armen seinen Kopf, drückte sein Gesicht gegen ihren Busen. Schaukelte sich und ihn. Kleiner Bastard. Hob sein Gesicht aus ihrem Busen, nahm seinen Kopf in die Hände, die nach Chili, Rauch, Schmutz, verbranntem Kaffee, verbranntem Haar, Wachs und Alkohol rochen, seine Ohren gerieten zwischen ihre Finger. Da er die Lippen schon wieder nicht öffnete, biss sie ihn, er stöhnte auf, na endlich eine Reaktion. Sie nutzte die Gelegenheit und schob ihm ihre Zunge in den Mund. Ihr Mund schmeckte, wie ihre Hand roch, seiner nach gar nichts. Etwas Blut. Sie saugte es auf. Er sah an ihren Haaren vorbei zum Himmel. Es

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