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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Ich bin krank!
    Dann geh zum Arzt.
    Geh zum Arzt, geh zum Arzt. Murmelt, trampelt weiter. Geh zum Arzt, ha! Ja, wo leben wir denn? DA HABEN WIR WOHL WAS VERPASST, GENOSSE ! Geh zum Arzt. Wenn ich eine dieser … eine von denen wäre, könnte ich zum Arzt gehen, mir zwei Backen voll Hirntabletten verschreiben lassen, eine Therapie machen. Aber ich bin ich und für mich gibt es keine Therapie! Du musst bleiben, was du bist oder was du wirst, ein gemeingefährlicher Irrer. Sie blieb stehen, sah die Männer bedeutungsvoll an: Es gibt Frauen, die kurz vor ihrer Periode imstande sind zu töten.
    Nur zu, sagte Janda. Du wirst schon sehen, was du davon hast.
    Meine Großmutter – nicht die Vergewaltigte, die andere – hat sich mit achtundvierzig Jahren erhängt.
    Zugegeben, es tut weniger weh, als Pulsadern aufschneiden. (Janda)
    Arschloch!
    Hört auf!
    Hier, sagte Kontra und reichte Kinga die Tüte.
    Eine Weile kiffte sie trotzig, still vor sich hin, später trank sie drauf und fing wieder zu brüllen an. Ich kann nicht einschlafen, ich kann nicht einschlafen! Ich kann nicht betrunken werden! Ich kann nicht betrunken werden! Natürlich war sie schon längst hinüber. Torkelte durch das Chaos. Stieß sich den kleinen Zeh an der Kante eines schweren Buchs, das auf dem Boden lag, heulte wie eine Wölfin. Auuuuuuu!
    Janda erhob sich mit einem Seufzer, stellte sich ihr in den Weg. Sie lief trotzig weiter, auf der Stelle. Hob die schwarzen Füße.
    Janda (leise): Es ist nicht so, dass es nichts gäbe, worüber man empört sein könnte, (laut) aber alles, woran du denken kannst, ist: Ich, ich, ich!
    Sie hörte auf zu trampeln, hämmerte mit der Faust auf seine Schulter ein: Du! Du! Du! Ist es besser so?
    Nein, es ist nicht besser! Es tut weh!
    Gut! Du sollst leiden, Hund! Hund, Hund, Hund - - -
    Er ohrfeigte sie mit der Zeitung, griff ihr ins Haar, zog sie am Schopf hoch. Könnte er sie so hoch heben, dass ihre Füße nicht mehr auf die Dielen trampelten?
    Schluss damit! (Andre)
    Kinga brüllte: Aaaaaaaaaaaaaaaa!
    Aufhören!!!
    Man zerrt sie auseinander, Kontra geht mit Janda weg, sicher ist sicher, Andre bleibt. Jemand muss bei ihr bleiben. Jede Berührung lässt sie zusammenzucken. Wenn er sie nicht berührt, berührt sie sich selbst, erzittert. Uuuuuh. Seufzt: Oh Daniil!
    Wer ist Daniil?
    Mein Geliebter.
    Du hast einen Geliebten namens Daniil?
    In meinen… in meinen Träumen, weißt du, habe ich einen Geliebten namens Daniil.
    Verstehe, sagte Andre.
    Hast du auch eine geheime Liebe? Wie ist ihr Name?
    Ilona.
    Sie geht uns in die Binsen, sagte Andre zu den anderen beiden.
    Pure Hysterie, murmelte Janda. Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Kein Mensch, nicht einmal Kinga, kann permanent PMS haben. Die Wahrheit ist: Sie geht uns in die Binsen. Sie kann keine Kinder mehr ertragen. Überhaupt keine anderen Leute mehr. Einkaufen gehen. Putzen. Zu Hause schon gar nicht. Die Männer müssen alles für sie machen. Tagelang wäscht sie sich nicht. Sie stinkt. Es kommt noch soweit, dass ich sie in den Zuber stellen und abschrubben muss. Oder sie für eine Woche oder zwei in ihrem Dreck sein lassen, bis alle Konserven aufgegessen sind, mal sehen, was sie dann macht. Geht doch irgendwann raus zum Einkaufen oder rollt sich auf dem Boden zusammen und stirbt. Wir müssen ja sogar dafür sorgen, dass sie bei ihrem einzigen Job, den sie noch hat, erscheint. Dann wischt sie in der Nacht auf ihr winziges Spiegelbild am Ende eines langen Flurs zu und redet vor sich hin. Wahnsinn.
    Janda, zu seinem Missvergnügen, musste an Abel denken. Seitdem er ausgezogen war, Monate her, hatte er sich nur noch ein- oder zweimal gemeldet, um sich außerhalb mit ihr zu treffen. Den Musikern schien er aus dem Weg zu gehen. Nicht, dass wir ihn vermisst hätten. Immerhin, er gab ihr Geld und eine Telefonnummer, die sie aber nie anrief. Als hätte sie (auch ihn) aufgegeben. Wer hätte das gedacht.
    Jetzt rief ihn Andre an.
    Hallo, sagte Abel, als ob es gestern gewesen wäre.
    Es geht um Kinga, sagte Andre. Sie hat bald Geburtstag.
    Ich weiß, sagte Abel. Den vierzigsten. Natürlich hatte er vor zu kommen.

    Als er den Kopf durch die Dachluke steckte, stand sie gerade auf dem Schornstein, eine Galionsfigur und Sirene, und brüllte in die Nacht: Tütüüüüüüt! Tütüüüüüüt! Ab heute heißt das nicht mehr Kingania, ab heute heißt es … Titanic! Ein anderer Schiffsname fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Dann ist es eben so. Wenn, dann heißt dieses

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