Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
Vom Netzwerk:
verfahren, als Folge dessen verfuhr sie sich wirklich, nahm eine Abzweigung zu früh, stieß an ein heruntergekommenes Haus. Hinter dem Zaun sprang eine Horde wilder Hunde auf und ab. Rückwärts wieder hinaus, an einem Weiher, einem Schießstand, einer Kartbahn, landwirtschaftlichem Gerät vorbei, bis ihr endlich die entgegenkommende Kolonne der anderen Elternautos den richtigen Weg zum Lager wies. Omar war der Letzte, er saß auf den Stufen der Blockhütte neben einem weichlich aussehenden Jungen, dem Sohn eines der Lehrer, sie malten mit langen Zweigen Ikse und Os in ein Gitternetz im Staub des Vorplatzes. Mercedes entschuldigte sich bei allen Beteiligten für die Verspätung, keinem machte es etwas aus.
    Auf dem Rückweg fuhren sie, weil es sich anbot, bei den Großeltern vorbei.

    Du bist ganz rot im Gesicht.
    Ich weiß.
    Der Garten war verbrannt, die Küche wie ein Glashaus, aufgeheizt, Mercedes ging ins Wohnzimmer, wo es nicht so hell war.
    Grüß dich, sagte Felix Alegre, Pseudonym: Alegria, Krimiautor und Omars Großvater, wenig zuvor zu seinem Enkelsohn. Wie war dein Vormittag? Ich habe meinen nicht vergeudet und eine neue Geschichte für Pirate Om erfunden!
    Der Grund, warum ich zu schreiben angefangen habe, sagte Alegria zu einem früheren Zeitpunkt mutmaßlich ebenfalls zu Omar, war, dass mir das Leben von Anfang an als zu anstrengend vorkam. Alles und jeder, der mir begegnete, stürzte mich in Verwirrung und raubte mir fast den gesamten Lebensmut. Ich fühlte mich ohnmächtig und wütend. Alles hatte diese Wirkung auf mich, bis auf die Figuren, die ich seit frühester Jugend selbst erfand. Ich bin glücklich und stolz, dass es mir gelungen ist, mittlerweile alles, was mir begegnet, so zu betrachten, als hätte ich es erfunden. Seitdem kann ich jeden lieben.
    Erfolg hat er allerdings erst, seitdem er den einäugigen schwarzen Detektiv Pirate Om erfunden hat, der jedes Mal, wenn er nach dem Verbleib seines Auges gefragt wird, antwortet: Ich habe es hingegeben für Weisheit. In seinem neuen Fall wird es Pirate Om mit einem stockkonservativen bis rechtsextremen Politiker zu tun haben, der am Abend seiner überraschenden Wahl zum Bürgermeister einer Kleinstadt spurlos verschwindet. Um ihn zu finden, muss Pirate Om den gesamten Wahlkampf, den er versucht hat zu verdrängen, noch einmal durchleben, sich die Reden auf Video ansehen, du weißt, diese Typen, die an alles appellieren, was schlecht in uns ist: Neid, Geiz, Angst, Hass, und dabei ganz gerührt von sich sind, was für gute Menschen sie doch seien.
    Es wird einer von P.O.s anstrengendsten Fällen. Von Kapitel zu Kapitel muss er politische Diskussionen mit Verbündeten und Gegnern, also in beiden Fällen, Grüß dich, mein Schatz! – Mercedes winkte nur und setzte sich in einen Schaukelstuhl in der Ecke –, potentiellen Mördern führen.
    Und wo ist er am Ende? Der Politiker? fragte Omar.
    Das weiß ich noch nicht. Vielleicht klärt es sich nie auf. Verstehst du? Dieser Typ ist ganz unwichtig. Ob es einen Mord gibt, ist ganz unwichtig. Obwohl, politische Morde … Worum es geht, ist…
    Wie war es bei den Pfadfindern? Miriam kam aus der Küche und stellte scheppernd ein Tablett mit Limonade ab.
    Das macht sie immer. Ich kann mitten im Satz sein. Ich erzähle von meinem Roman, der uns, nebenbei bemerkt, ernähren wird, und sie kommt und redet dazwischen.
    Omar ist nicht nur klug und schön, er ist auch höflich. Er antwortete …
    Einen Moment noch, sagte Alegria. Ich verstehe zwar nicht, wieso sich jemand, und sei er ein zehnjähriger Junge, freiwillig in den Abgründen unserer Wälder herumtreibt, ich hoffe allerdings, wie aus allem, auch daraus eine Geschichte oder wenigstens einen Satz gewinnen zu können, also los, erzähl schon, sagte er, da er inzwischen Block und Bleistift zur Hand hatte.
    Er kann so ein Kulissenreißer sein. Macht sich demonstrativ Notizen, um mir zu zeigen, dass er beleidigt ist. Wie kann er denken, dass ich das absichtlich mache? Wenn ich jedes Mal warten würde, bis er eine Pause macht, würden wir verdursten.
    Wir haben ein totes Mädchen in einem hohlen Baumstamm gefunden, sagte Omar. Sie war nackt. Wir starrten lange auf ihr Geschlecht.
    Totes Mädchen, hohler Baumstamm, Geschlecht, notierte sein Großvater.
    Ich seh’ schon, sagte Miriam, mit euch ist nicht vernünftig zu reden. Sie zögerte, ob sie beleidigt sein sollte, warf einen Blick zur Tochter. Ist sie überhaupt anwesend? Sitzt still in der dunkelsten Ecke des

Weitere Kostenlose Bücher