Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
Vom Netzwerk:
Hauptbahnhof.
    Zum Haupt bahnhof?
    Jetzt gucken wir beide blöd.
    Oder zum Park, sagt der Typ. Der Park geht auch.
    (Bahnhof oder Park, das ist egal?) Weiß ich nicht, sagt der Junge. (Lüge, er will bloß den Satz anbringen, für den Kosma stolz auf ihn wäre:) Aber zum Irrenhaus geht’s da lang.
    Grinst. Die Hände hat er in den Taschen, er zeigt mit dem Kinn in die Richtung, in die er selbst unterwegs ist. Der Typ steht mit dem Rücken dazu. Grinst auch.
    Danke, sagt er. Das Irrenhaus ist genauso gut. Die merkwürdigste Stimme der Welt. Es kribbelt einem der Rücken davon. Jetzt geht er.
    Nein, dreht sich wieder zurück. Fragt, ob der Junge Danko ihn nicht ein Stück begleiten würde. Nur solange, bis er sich sicher sein könnte, sich nicht mehr zu verlaufen.
    Du hast dich verlaufen ?
    Danko lacht von Herzen. Ruft in den Luftraum seiner Nachbarschaft, einem unsichtbaren Publikum zu, hier, überall, in den dunklen Rängen wie im Parterre: Er hat sich verlaufen! Was bist du denn für ein Freak?
    Jetzt schaut der Typ, als hätte er nicht verstanden. Zuckt mit den Achseln, geht.
    Scheiße, was ist das jetzt wieder für ein Gefühl? Der Junge schaut sich um. An der Ecke gegenüber die Billardkneipe. Ansonsten ist nicht viel los. Abendessenszeit. Es riecht nach Schnitzeln. Als ob leises Brutzeln überall.
    Die Hölle weiß, was das ist. Danko geht los, dem Typen hinterher. Holt ihn ein, geht neben ihm. Schaut nicht hoch, weiß nicht, was der Typ für ein Gesicht macht. Sagen tut er nichts. Wenn einer läuft, merkt man mehr, wie er riecht. Der hier wie ein Friseursalon. Außerdem Alkohol, Kakao und Plexiglas, aber das könnte der Junge Danko nicht mehr so benennen. Der Typ trägt etwas Viereckiges, Helles in der Manteltasche. Ein Buch ohne Umschlag, nur das Leinen. Eigentlich ist’s zu warm für Mäntel. Ich trage nie einen Mantel. Ich habe nicht mal einen. Magst du den Winter mehr oder den Sommer? Ich mag den Sommer mehr. Dann fahren wir ans Meer. Warst du schon mal am Meer?
    Sie nähern sich einer Kreuzung, der Typ wird langsamer. Danko mit den Händen in der Tasche hebt den Schenkel für einen betonten Schritt in die richtige Richtung. Der Typ folgt ihm. Als sie wieder in der Geraden sind, fragt er:
    Wie heißt du?
    Danko, sagt Danko zu seinen Füßen.
    Wie alt?
    (Geht’s dich was an?) Vierzehn. (Lüge.) Und du?
    Abel.
    Wie?
    Das ist sein Name. Abel.
    Was ist das für einer?
    Ein hebräischer.
    Als hätte er das nicht verstanden. Als hätte er was an den Ohren, muss der Junge öfter nachfragen, oder vielleicht kennt er die Wörter nur nicht.
    Mein Name ist Abel, und ich bin sechseinhalb Jahre alt.
    ???
    Ja, sagt der Typ, er sei an einem neunundzwanzigsten Februar geboren worden. Bis jetzt hatte ich sechs Geburtstage, den nächsten habe ich in zwei Jahren.
    Bis jetzt gab es keinen einzigen Schüler, der sich nicht gefreut hätte. Ich bin älter als du! Der Junge hier versteht immer noch nicht. Kann es sein, dass er nichts von Schaltjahren weiß?
    Den neunundzwanzigsten Februar, erklärt Abel, nun benutzt er zur Unterstützung auch die Hände, gibt es nur alle vier Jahre. Wenn es ein Schaltjahr ist.
    Hm. Danko wirft einen versteckten Blick zur Seite. Zur anderen , nicht dorthin, wo er geht. Nichts. Pause. Irgendwas ist komisch. Der Typ redet und bewegt sich anders, als man (Danko) das je gesehen hat. Als wären sie elektrisch, löst jede seiner Bewegungen eine direkte körperliche Reaktion im Gegenüber aus. Kleine Fausthiebe in der Seite.
    Bis zur nächsten Ecke schweigen sie wieder. Hier geht der Junge wieder einen Schritt vor, wieder versöhnt sie das miteinander. Nach ein wenig Stottern, was … ähm … was …, fragt er, was Abel mache.
    Dolmetschen.
    ???
    Von einer Sprache in eine andere übersetzen.
    Von welcher?
    Abel zählt sie auf. Die gemeinsame Muttersprache lässt er aus. So sind es neun.
    Hm, sagt der Junge. Und Chinesisch? Kannst du das auch?
    Nein.
    Ich kann: die Landessprache und die Muttersprache.
    Beide, muss man sagen, nicht sehr gut. Orientiert sich entlang der Hauptwörter. Ah, das kenne ich. Hab so was schon mal gehört. Mit wie wenig der Mensch doch zurecht kommt. Abel hat Schüler, halb so alt, mit einem doppelt so großen Wortschatz. Ganz zu schweigen von Omar. (Sich die beiden in einem Raum vorstellen. Was würden sie miteinander reden?)
    Gehen schweigend. Auf einem üblichen Eckgrundstück eine Gebrauchtwagenhandlung. Ihr Kommen löst die automatische Beleuchtung aus. Für einen Moment

Weitere Kostenlose Bücher