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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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kein einziges Mal an, stumm arbeiteten sie nebeneinander, fegten, trugen Schippen hinaus, Glassplitter in Milch und Marmelade, stellten Möbel wieder auf. Der Tisch hatte eine Schramme, nichts zu machen. Danke, sagte Abel am Schluss. Auch darauf reagierte sie nicht, ging zurück in den Laden. Er ging nach Kingania und legte sich aufs Dach. Am nächsten Morgen war er voller Tau, sein Haar roch nach Dachteer, und er hatte ein Kratzen im Hals, doch zwei Tage später, als sie losfuhren, war auch das vergessen.

    Er war nicht einmal über die Route informiert, es schien ihn auch nicht zu interessieren, er hatte das Fahren erlernt, aber dann fuhren doch nur die anderen. Er saß auf seiner Seite der Rückbank, mal auf der Sonnenseite, mal im Schatten, und schaute die Fassaden hoch. Später kamen andere Landschaften, ein struppiges Flusstal, Wälder, stundenlang platte Felder, neue Städte. Dazu Musik und stündlich mehr oder weniger dieselben Nachrichten aus dem Autoradio. Gesprochen wurde wenig. Die Musiker sprachen nicht nur mit Abel nicht, auch untereinander erzählten sie sich nichts. Manchmal wechselten die beiden auf dem Vordersitz einpaar leise und meist funktionale Sätze. Wo ist das und das, wohin jetzt, vorne rechts. Zwischendurch schlief Abel ein, den Kopf ans Seitenfenster gelehnt, oder tat so, denn wenn sie anhielten, öffnete er sofort die Augen. Wie heißt dieser Ort, und wo befindet er sich?
    Er war, auch abgesehen vom Fahren, weitgehend überflüssig. Bei den Auftritten half er nichts tragen oder aufbauen, sie brauchten seine Hilfe nicht, sie konnten alles allein. Buckel auf dem Rücken, fünftes Rad, eigentlich hätte er schon längst aussteigen können, aber irgendwie: nein. Er ist immer noch da. Man bräuchte ihm bloß zu sagen, verpiss dich, er würde gehen, sich ohne Groll, höflich verabschieden. Wobei er lieber bliebe. Als würde er gerne zuschauen. Wie sich Männer verhalten. Die Rituale des Trinkens, des Rauchens, der Körperhaltung, des Fischfangs bei einem Zwischenhalt in einem Wald. Wildromantik, blitzende Körperteile. Nahaufnahmen ihrer Hände beim Erschlagen, Ausnehmen, Aufspießen, Braten. Er ist für solche Verrichtungen ohne Frage nicht zu gebrauchen, wortlos fangen sie einen vierten Fisch für ihn. Es ist, als schaute er einem selbst beim Essen genau zu. Als wüsste er sonst nicht, wie man einen Fisch isst. Janda wäre blöd, wenn er nicht merkte, dass es vor allem er ist, den er ständig ansieht, natürlich, aber die Strategie ist seit Jahren, so zu tun, als merkte er es nicht, kein Grund, das ausgerechnet jetzt zu ändern. Kontra für seinen Teil schert sich tatsächlich nicht um ihn, dafür interessiert mich niemand genug, und der gute Andre kommt bekanntlich mit jedem klar. Ich bin ein einfacher Junge vom Dorf, du hörst es an meinem Dialekt, abgeschnitten von ihrer Heimat, bleibt die Sprache, was sie war, in der Kindheit. Religiöses Leben spielte damals eine große Rolle, aber deswegen ist es nicht, dass er es nicht fertig bringt, jemanden auszugrenzen, zu hassen oder was es sonst noch gibt. Er hat das Glück, als guter Mensch geboren worden zu sein, sagte Kinga einmal, so ergreifend und einfach ist das. Aber, aber, aber, stotterte er, das habe ich mir nie so vorgestellt. Ein Bauernjunge mit einem musikalischen Talent, das zu groß war, als dass man damit nicht hätte weggehen müssen. Alles hat seinen Preis, das ist sein Lieblingssatz, und es ist nicht so, dass ich etwas gegen dieses Leben hätte, es ist bloß … Er wäre trotz allem gleich wieder zurück gegangen, aber die anderen überzeugten ihn zu bleiben. Appellierten an die Vernunft sowie an seine Solidarität. Wir brauchen dich. Du hältst uns aufrecht und zusammen. Jetzt übertreibt mal nicht. (Murmelt, errötet.)
    Zu den Auftritten gab es je nach Veranstalter Hotels, Privatwohnungen oder den Bus: eine mit blauem Blümchenstoff bezogene ehemalige Wohnheimmatratze – später wird sie Abel gehören – über die umgeklappten Rücksitze gelegt. (Einmal ein Getränkelager, ein versifftes Doppelbett zwischen Getränkepaletten. Bitte? fragte Janda. Nein, oder? Kontra, der sich den Inhalt der Kisten genauer angeschaut hatte, stieß ihn mit dem Ellbogen. Die teuersten Spirituosen. Sie nahmen so viel, wie sie tragen konnten.) Die Paarung in Doppelzimmern hieß jeweils: Kontra und Janda, Abel und Andre. Wobei das vierte Bett, die Betthälfte für unseren Fahrer weitgehend überflüssig war. Manche Auftritte hörte er sich an,

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