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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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manche nicht. Er ging mit der ersten Nummer, wohin, in den Ort, an dem sie gerade waren, was tat er da?, keiner fragte. Später soll er Omar das eine oder andere erzählt haben, merkwürdige Begegnungen, aber man weiß nicht, wie viel davon wahr ist, und wenn es erfunden ist, wer es erfunden hat.

    Manche Städte schlafen nie, andere, als wanderte man über eine Wiese. Manche bestehen aus lauter Furten, manche haben nach verheerenden Bränden oder Überschwemmungen breite Straßen bekommen, manche Kirchen sind wie Festungen, andere wie Lustschlösser. Fast überall gibt es eine Motorradkneipe. Abel hat, was man vielleicht nicht denken würde, keine Hemmungen, welches Etablissement auch immer zu betreten. Linkisch ist er überhaupt nicht mehr, nur eben anders, er fällt überall auf. Er fällt auch auf, wenn er nicht hineingeht, sondern draußen bleibt, einfach auf der Straße. Ob viele unterwegs sind oder im Gegenteil wenige, fast jede Nacht wird er von jemandem angesprochen. Dazu scheint sich, abgesehen von den Musikern, fast jeder berufen zu fühlen.
    Einmal, er kam gerade aus einer Bar, sprach ihn eine alte Frau an:
    Da bist du ja! Ach nein, sagte sie. Entschuldigung. Sie sind gar nicht mein Sohn. Besah ihn sich noch mal, um ganz sicher zu gehen. Nein, Sie sind es nicht.
    Würden Sie… Würden Sie mich vielleicht trotzdem begleiten? Ich habe schreckliche Angst, das ist doch keine Gegend, keine Tageszeit für eine alte Frau, aber ich muss ihn doch suchen, er ist Alkoholiker, wissen Sie, Sie scheinen mir so ein netter junger Mann zu sein.
    Sie gingen eine ganze Weile nebeneinander her, sie etwas gekrümmt, er mit den Händen in den Taschen, sie trippelte, er machte nur manchmal einen Schritt. In die Kneipen traute sie sich nicht hinein, sie bat ihn, er möge für sie gehen oder durch die Fenster spähen, Sie sind so schön groß, ob er ihn sehen würde.
    Aber er weiß gar nicht, wie der Sohn aussieht.
    Na, so wie Sie!
    Aber er sah keinen, der so aussah. Später stellte sich heraus, dass der Sohn kein Sohn, sondern ein Geliebter war. Abel sah sich die Frau genauer an. Sie sah aus wie siebzig.
    Jetzt verachten Sie mich bestimmt.
    Nein, sagte er. Soll ich dieses Taxi für Sie anhalten?
    Sie nickte und war verschwunden.
    Ein anderes Mal, an einem anderen Ort, stand ein kleiner Mann zwischen den Sträuchern am Rande eines Parks, einen Aktenkoffer in der Hand. Auch ihm wurde übel mitgespielt.
    Es fing damit an, dass meine Frau so tat, als verstünde sie nicht, was ich sage. Das sei einfach wirres Zeug, sagte sie, was ich rede, ich sollte es doch mal in der Landessprache versuchen, aber ich bitte Sie, ich kann gar keine andere Sprache, nur diese eine, was ist daran, bitte schön, nicht zu verstehen? Verstehen Sie, was ich sage? fragte der Kleine besorgt.
    Absolut, sagte Abel.
    Der kleine Mann seufzte.
    Ich habe es auf der Arbeit erzählt. Was wollte ich, Mitgefühl? Anfangs nickten sie verständnisvoll, ja, ja, die Ehe, aber später fingen sie auch an, so zu tun, als verstünden sie nicht, was ich sage. Sie kicherten, ich weiß, sie wollten nur einen Spaß machen, aber dann konnten sie nicht mehr aufhören. Sie taten den ganzen Tag so, als verstünden sie mich nicht, und ich sagte gar nichts mehr, aber auf der Fahrt nach Hause, Bauch an Bauch im Bus, brach ich plötzlich in Tränen aus und musste aussteigen, seitdem irre ich hier umher. Wer weiß, sagte der kleine Mann mit Blick in die dunklen Sträucher, vielleicht ist jeder meiner Sätze, mit denen ich glaube, mich der Wahrheit Stück um Stück anzunähern, nichts, als genau das: Stück um Stück. - - - Ich frage Sie jetzt lieber nicht, ob Sie das verstanden haben. Gott allein weiß, was das zu bedeuten hat. Entschuldigen Sie. Besser, ich gehe jetzt.
    Er ging zwei Schritte, blieb stehen.
    Entschuldigen Sie. Wären Sie vielleicht so freundlich, mich zur Bushaltestelle zu begleiten? Ich glaube, ich habe etwas Angst. Ich weiß, das ist merkwürdig, schließlich bin ich ein erwachsener Mann.
    Schon in Ordnung, sagte Abel.
    Und so weiter. Einer wollte sich mitten in der Nacht ein gestohlenes Auto kaufen und brauchte einen Dolmetscher. (Und das glaubst du? fragte Alegria seinen Enkel. Ja, sagte Omar. Warum nicht.) Als einer der Letzten kam ihm sein Vater entgegen.
    Bruder, sagte der Mann. Dürr, unrasiert, übel riechend. Vielleicht war er auch etwas jünger als Andor, wer könnte das sagen, vom Leben gezeichnet, und es war dunkel. Manchmal ist es auch nur eine einzelne

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