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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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Falte, die gleich ist, der Steg zwischen Nase und Mund. Bruder, sagte der Heruntergekommene. Warum gehst du weinend und zähneknirschend durch diese dunklen Gassen?
    Abel weinte nicht, mit den Zähnen geknirscht, vielleicht, aber im Wesentlichen lief er nur herum.
    In dieser Gegend?
    Das ist doch nicht verboten?
    Hm.
    Na dann…
    Bruder! Der Dürre hielt ihn am Ärmel fest. Kräftige Finger, schmutzige Nägel. Hast du etwas Kleingeld für mich?
    Abel langte sich in die Tasche, holte Geld hervor, Münzen, zwei zerknüllte Scheine. Der Heruntergekommene prüfte das Angebot, nahm schließlich mit spitzen Fingern den kleineren Schein und einpaar Münzen. Oder weißt du was? Er fegte alles von Abels Hand in seine. Zärtlich über die Handfläche. Die Jungs da vorne an der Ecke hätten dich sowieso überfallen. Oder wenn nicht die, dann eine Ecke weiter jemand. Lieber nehme ich es zu mir. Gott segne dich, Bruder. Und ging eilig davon in die Richtung, aus der Abel gekommen war.
    An der Ecke vorne standen keine Jungs. Auch später begegnete er niemandem, außer zwei Katzen, eine schwarze, eine braun gescheckte, die, wie winzige Steinlöwen, regungslos zu beiden Seiten einer Garagenausfahrt saßen.

    Als er mitten in der Nacht im Hotel ankam, saßen die Musiker noch in der Hotelbar. Ihr Lachen war bis zum Eingang zu hören.
    An dem Abend hatten sie einen der merkwürdigsten Auftritte der Tour. Eigentlich konnte man schon von Anfang an wissen, dass es nichts bringen würde – abgesehen natürlich vom Geld. Kein richtiges Konzert, sie waren eher so was wie die musikalische Rundenglocke bei einem Podiumsgespräch zum Thema: Was stimmt nicht mit eurer Region? Immer, wenn man kurz davor stand, sich an den Kragen zu gehen, hieß es: Und jetzt wieder ein bisschen Musik!
    Sie fragen mich, wieso wir zum Thema nicht mehr beizusteuern haben als einpaar Anekdoten? (Janda an der Bar, hält geziert die Zigarette.) Nun, besteht Geschichte nicht hauptsächlich daraus: Aus Marginalien zwischen zwei Extremen?
    Aber wir stehen wie die Trottel da! ruft Kontra leidenschaftlich und schlägt vielleicht sogar auf die Theke.
    Genau! sagt Andre. Das ist die Bestätigung aller Klischees, die es über uns sowieso gibt! Wieso ist keiner in der Lage, die Wahrheit zu sagen? Das ist doch nicht so schwer!
    Janda, leutselig: Was ist denn die Wahrheit?
    Er lacht, Kontra lacht mit, sie stoßen an.
    Andre, mit tragischem Ernst: Und wie stehen Sie dazu, dass die Intelligenz des Landes entweder die Situation angeheizt oder aber nichts zu ihrer Entschärfung beigetragen hat, sich dann aber nicht zu schade ist, im Ausland ihr Geld mit unserem Elend zu machen?
    Janda, geziert lächelnd: Ich reue, pardon, freue mich, dass endlich auch die Schauspieler aufgenommen worden sind in den Kreis der Intelligenz.
    Leise Heiterkeit.
    Und jetzt, Kontra hebt den Zeigefinger: Wieder ein bisschen Musik. Tülüttütüttütü, brmbrmbrm, tschtschtsch. Sie lachen, spielen Luftgitarre, trommeln auf die Theke. Sie hören wieder auf, Janda nimmt die fast abgebrannte Kippe wieder auf, schnippt die Asche weg, das macht ein unerwartet lautes Geräusch.
    Oh, diese Pisser …
    Na? sagt Andre zu Abel, der, wieder so unsicher, wie man es kennt, etwas abseits stehen geblieben ist. Auch noch was zu trinken?
    Sie betranken sich in dieser Nacht mehr als jemals zuvor, besonders Janda. Sie mussten ihn, das heißt: Abel, der als Einziger nüchtern blieb, aufs Zimmer tragen. Seine Augen waren offen, aber man weiß nicht, ob er was gesehen hat. Am nächsten Morgen war das erste Mal keiner mehr in der Lage zu fahren, außer dem Kind.
    Ach, scheiß was, sagte Janda, legte sich auf die Rückbank und schlief weiter. Abel fuhr vorsichtig, vermied jede ruckartige Bewegung. Dennoch, später, Janda: Halt an, ich muss kotzen.
    Sie standen lange im Halteverbot am Rande der Schnellstraße, hinter ihnen pfiff der Verkehr vorbei, Janda spuckte in den Graben. In der Gegenrichtung fuhr ein Polizeiwagen vorbei. Abel und Kontra dachten an die nicht übergebene Fahrerlaubnis, aber zum Glück passierte nichts.

Falken
    Später allerdings kam es doch noch zum Eklat.
    Obwohl sich der Abend anders anließ, ganz viel versprechend. Eine andere Stadt, eine Kneipe anstelle eines ehemaligen Kinos, davon noch ein Vorhang, ein Podest, eine Galerie, Tische mit Lämpchen und einpaar Plakate übrig. Alles in allem eine nette Atmosphäre und soviel Publikum wie auf dieser Tour noch nicht. Trotz schlechten physischen Zustands der Band

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