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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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wische und weitertanze. Immer wieder haben sie uns aufgefordert, einander zu küssen. Er tat es. Meine nach Galle schmeckenden Lippen.
    Mittlerweile war Elsa im fünften Monat und musste nicht mehr spucken, aber sie weinte und lachte noch abwechselnd und manchmal gleichzeitig, und das den ganzen Tag. Ich werde wach und muss weinen. Oder lachen. Es ist ein Weinen oder Lachen gleichzeitig des Glückes und der Trauer. Die Gründe dafür sind mir teilweise unbekannt, teilweise bekannt. Die Behörden behandelten Elsa wie jedermann. Darüber darf man nicht weinen, ich weiß. Als Mann bist du ein Mafioso, als Frau eine Hure, so ist das. Es sind Frauen im Amt. Ich bin im fünften Monat und verheiratet und sie geben mir eine Aufenthaltsbewilligung für drei Monate. Dann wäre ich im achten. Verstehst du. Und das sind Frauen.
    Übrigens war ich diejenige, die ihn gefragt hat, ob wir heiraten wollen. Dass ich jeden Tag weine, muss ihn belasten. Obwohl er nichts sagt. Aber wenn man bedenkt: Da kennst du jemanden seit einem halben Jahr, und wenn er nicht kotzt, weint er. Im Moment ist es etwas besser, er ist gerade nicht da. Es hat sich ein Job ergeben, eine neue Katastrophe, er ist für einen Monat oder länger weggefahren. Einer muss das Geld verdienen.
    Am Vormittag gehe ich hinaus. Von Bussen wird mir schlecht, also gehe ich zu Fuß, kreuz und quer, in den Park, durch Geschäfte, in denen ich nichts kaufe. Irgendwann werden meine Füße kalt, ich gehe nach Hause zurück, nehme ein Bad, schaue zu, wie das Wasser von meinem Bauch läuft. Den Rest des Tages liege ich auf dem Sofa vor dem Fenster und schaue über die Stadt. Wir wohnen im siebten Stock. Am Morgen steigen Dampfschwaden aus den Waschkellern auf. Aus den Schornsteinen der Rauch. Daraus werden Wolken. All das ist sogar schön, dennoch: Kann man so leben, nur von Rauch und Dampf? Darf ich es überhaupt, ist es angemessen, es …
    Sie rülpst.
    Oh! Legt dünne weiße Finger an ihre Lippen. Entschuldigung. Ich bin schwanger, ich darf das. Beendet den Satz: … schön zu finden?
    Kontakte zu hiesigen Frauen unterhalte sie nicht. Ich weiß, das ist nicht nett von mir. Aber sie kommen mir so … einfältig vor. Verstehst du, was ich meine? Hier wohne ich übrigens.
    Sie stehen vor einem Hochhaus.
    Hast du Kontakt zu anderen Leuten?
    Zu einpaar.
    Aus unserer Gegend?
    Nein.
    Sie legt eine Hand auf ihren Bauch und stößt abermals auf.
    Entschuldigung … Willst du mit hochkommen?
    Er schaut nur.
    Manchmal, sagt Elsa, vermisse ich sogar die Kirche. Man wird so konservativ.
    Ich möchte, sagt sie, dass du bei mir bleibst. Ich werde sowieso nicht schlafen können. (Pause.) Nur reden.
    Tut mir Leid, sagt Abel. Aber er müsse zurück zu den anderen, die wüssten nicht, wo er sei, vielleicht wollen sie auch schon in der Nacht weiter.
    Sie steht vor dem Haus, er geht mit langen, schnellen Schritten, den Oberkörper etwas vorgebeugt.
    Das war die Geschichte von Elsa, die ich für eine Stunde kannte.

Fluchtartig
    Wie spät war es zu diesem Zeitpunkt, vielleicht kurz nach Mitternacht, Abel lief zum Hotel zurück, zumindest ungefähr. Das ist eine von den unspektakulären Städten, alles ist neu und sieht gleich aus, an sämtlichen Ecken dieselben Läden, außerdem hatte er während der ganzen Zeit, während er neben Elsa herging, nach unten geschaut. Soweit stimmt es auch: Gehsteig, staubige, schwarze Schuhspitzen, aber das ist jetzt unwichtig. Diesen Gang können wir extrem verkürzen, die Stunde, die hier circa vergangen ist, bis er an der entscheidenden Ecke ankam. Diesmal war ihm keiner mehr begegnet.
    Zuerst erkannte er die Straße hinter dem Hotel gar nicht, aus dieser Perspektive hatte er sie noch nie gesehen, beziehungsweise doch, jetzt, das ist doch der Tourbus. Dahinter war ein Ächzen zu hören, als machten zwei Liebe in einem ganz und gar nicht erhebenden Hauseingang. Oder als ob zwei auf einen Dritten eintreten, besonders Janda. Abgesehen vom Zwischenfall war das Konzert planmäßig verlaufen. Janda ging grußlos noch während des Schlussapplauses, Andre und Kontra bauten ab und ließen sich das Honorar auszahlen. Das dauerte vielleicht eine Dreiviertelstunde. Als sie ins Hotelzimmer zurückkamen, fanden sie Janda auf dem Doppelbett sitzend vor, die Zähne aufeinander gebissen, er schaute Autorennen. Getrunken hatte er auch, aber er war so wütend, dass er nüchtern blieb. Andre hielt es für besser, nichts zu sagen. Was regst du dich auf, nur ein Idiot, von denen gibt es

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