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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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in dem er mit der herrschenden Wissenschaftstheorie auf dem laufenden war, allgemein erkennbar, nicht zuletzt in ›Welches Bett-Ende nun das richtige ist … ‹ wo die seltsam schwellenden Formen von ›Bellamys Fleischpasteten‹ sich in Viruswolken verwandelt haben, Leben und Nicht-Leben, passende Symbole dieser End-Kunst.
    Kein Künstler steht abseits seines Lebens. In dieser Periode zerbrach Daylings Liebesgruppe auf dramatische Weise. Die drei Männer und zwei Frauen, aus denen sich die Gruppe zusammensetzte, hatten an die acht Jahre im idealen Gleichgewicht zusammengelebt. Dayling sah sich plötzlich allein.
    Nun folgen die etwas geheimnisvollen Jahre des Wanderns, aus denen man wenig über Daylings Leben weiß, abgesehen von den Tatsachen, daß er sich der Halluzinationsdroge DXB aussetzte und in einer Klinik in Kanton fünf Jahre Tiefschlaf hinter sich brachte. Ansonsten scheint er sich keinem Computer-Terminal genähert zu haben. Sein einziges Werk aus diesen Jahren – das einst akzeptierte ›Madame, bitte entfernen Sie den Lippenstift, ich kann Sie kaum hören‹ ist jetzt als Fälschung erkannt – ist ›Ich habe achtzehn Whisky pur getrunken – ich glaube, das ist der Rekord‹ stammte aus einem Kloster in Jugoslawien. Beruhend auf den letzten Worten des walisischen Dichters Dylan Thomas, zeigt dieser kleine Block keine Entwicklung und markiert allgemein eine Rückkehr zu dem förmlichen Ton von ›Gebt Dayrolles einen Stuhl‹.
    Erst 1995 tauchte Dayling wieder auf; er hatte nur noch vier Jahre zu leben. Er war dreiundzwanzig Jahre alt und hatte beide Beine und einen Arm amputieren lassen, um sich, wie er sagte, besser auf seine Kunst konzentrieren zu können. Er ließ sich in Bombay nieder, mit der Gewißheit, daß es Signapur sei. Trotz solchen Wahns war sein Geist schöpferisch klar genug, und er machte sich wieder ganzen Herzens an die Arbeit, in einem verlassenen Behördenbüro wohnend, der vollkommene Einsiedler, wenn auch in einer übervölkerten Stadt, zu sehen nur, wenn er auf Kyberbeinen um Mitternacht gelegentlich zum Meer ging und hinausstarrte, denn er glaubte, es überflute das Land.
    Seine Arbeitsmethode war noch brutaler als vorher. Er arbeitete selbst am ›Tagelicht‹ und überließ es dem Computer, die Ergebnisse zu kopieren, auszuwechseln und zu löschen, wie es das offene Programm erlaubte. So arbeitete er nicht mit Licht, sondern mit dem Material selbst – eine Umkehrung der Technik, vielleicht, aber eine, die zu ihren eigenen einmaligen Ergebnissen führte. Es mag zu diesen letzten verzweifelten Werken stets einen Diskussionsbereich geben. War diese Umkehrung ein Zeichen für Daylings Scheitern, sich an sich selbst und seine Zeit anzupassen. Oder muß man die Umkehrung nur als Ersatz sehen, wenn man bedenkt, daß Dayling die große Übergangsgestalt ist, der letzte große Künstler, der die Tage der biologischen Revolution überspannt, der letzte große Künstler, der mit anorganischem Material arbeitete?
     
     
    Wie immer wir solche Fragen beantworten, die verkrüppelte Lebenskraft von Daylings Produktion in seinen letzten Jahren ist nicht zu bestreiten: ›Eine Welt auf einmal‹; ›Eigentlich wäre ich lieber in Philadelphia‹; ›Macht aus meiner Haut Trommelfelle für die Sache der Boheme‹; und ›Was unser fatales Fortdauern angeht … ‹ Das sind kleine Werke, klein, dicht und ruinös. Sie alle sprechen von fatalen Diskontinuitäten. Alle bilden seither die Grundlage für zahllose Experimente im neuen Medium der Halb-Empfindung.
    Es mag sein, wie Torner Mallard behauptet hat, daß diese letzten Werke Daylings den Untergang eines zu lange aufrecht erhaltenen Systems der Ästhetik bezeichnen, das zurückreicht bis zum klassischen Griechenland, und den Beginn einer neuen und mehr auf die Biologie gestützten Struktur; wir können jedenfalls erkennen, sowohl in den dadaistischen Titeln wie in den Werken selbst, daß Dayling eine prä-post-modernistische Läuterung verbrauchter Haltungen durchmachte und die Kunst aus der ästhetischen Arena von Balance und Proportion vorwärtstrug zum messerscharfen Rand zwischen Existenz und Nicht-Existenz.
    Mit seinem rücksichtslosen Beiseitefegen aller unwichtigen Stützen des Lebens führt Dayling – womit wir natürlich Dayling plus Kunstcomputer meinen – das skelettnackte Universum Samuel Becketts einen Schritt weiter; Humor und Tod betrachten einander über einen wirren Abgrund hinweg. Nur das Grinsen der Cheshire-Katze

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