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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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bleibt, über Walhalla vergehend.
    Aus. ›Wie man seine eigenen Halb-Denk wesen erschafft‹: Ein Lehrbuch für Jungen und Mädchen von Gutrud Slayne-Laboranlagen.

Geplant im Jahre 2001
     
     
     
    Die Nachricht erreichte New York rechtzeitig für die Nachmittagsausgaben. Kein Redakteur brachte sie ganz groß heraus, aber da stand es, ganz deutlich auf den ersten Seiten:
     
    ›VIELE TOTE BEI SCHLOSS-KATASTROPHE
    und HEIM DER KÖNIGIN VERNICHTET
    und SCHLAGEN ENGLANDS FEINDE ZU?‹
     
    Douglas Tredeager Utrect kaufte zwei Zeitungen, als er sich zur Lexington-Klinik für Fortgeschrittene Störungen durchkämpfte, wo er zur Zeit als Chefberater tätig war. Die Nachricht vermittelte ihm nicht so viel, wie er wissen wollte, was bei Nachrichten meistens der Fall war. Vor allem wurde sein englischer Freund Bob Hoggart nicht erwähnt.
    Gemeldet wurde lediglich, daß am frühen Nachmittag eine ungeheure Explosion, die das Werk feindlicher fremder Mächte sein mochte, den königlichen Park von Windsor, Grafschaft Berkshire, England, verwüstet und fast das ganze Schloß Windsor zerstört hatte. Zum Glück war die Königin nicht anwesend gewesen. Siebenundfünfzig Personen wurden vermißt und für tot gehalten, die Zahl der Toten stieg weiter. Die Armee wurde mobilisiert, und das britische Kabinett trat zusammen um die Lage zu besprechen.
    Utrect hatte keine Zeit, sich den Kopf zu zerbrechen, so sehr ihn die Sache auch beschäftigte. Als er sein Büro in der Klinik betrat, fing ihn sofort Dr. Froding ab.
    »Ah, Utrect, da sind Sie! Ihr schwerer Fall von Doppelbewußtsein, Burton. Er hat die Schwester angefallen! Ganz unerklärlich bei einem solch ruhigen Patienten – das heißt, erklärlich nur als Anima-Feindseligkeit, die kaum zu seinem sonstigen Verhalten paßt. Würden Sie ihn sich ansehen?«
    Utrect scheute immer davor zurück, Burton aufzusuchen. Es erschreckte ihn, festzustellen, wie sehr ihn die psychotische Phantasiewelt des Patienten anzog. Aber Froding war nicht nur ein Anima-Spezialist, sondern auch durchsetzungskräftig. Utrect nickte und folgte ihm durch den Flur, sein schwermütiges Renntiergesicht vorstreckend, als erschnupperte er Schuld und Gefahr.
    Burton saß zusammengekauert in einer Ecke seines Zimmers – eine charakteristische Haltung. Er war ein blasser, schmächtiger Mann mit Bart. Das schien einer der Tage zu sein, an denen seine Aufmerksamkeit der realen Welt galt; seine Gesten ihr gegenüber waren höflich und umfaßten die Müdigkeit, die so oft zur Höflichkeit gehört, obwohl sie hier eher so wirkte, als winke der Mann aus der Ferne, fand Utrect, und ein Teil von ihm stoße verklingende Hilferufe aus. Tun wir das nicht alle? dachte er.
    »Wir freuen uns, Eure Majestät zu empfangen«, sagte Burton und wies auf den am Boden festgeschraubten Stuhl, wo Utrect sich setzen sollte. »Und wie geht es heute der Kaiserin?«
    »Sie ist zur Zeit abwesend«, sagte Utrect. Er nickte Froding zu, der zurücknickte und verschwand.
    »Ah, abwesend, wie? Zur Zeit abwesend. Wieder auf Reisen, nehme ich an. Eine schöne Frau, die Kaiserin, Eure Majestät, aber wir müssen erkennen, daß ihre vielen Reisen eine Art Zwangshaltung sind.«
    »Gewiß, Herr Freud, aber wenn das geht, würde ich lieber über Ihren Fall sprechen. Vor allem möchte ich wissen, warum Sie Ihre Krankenschwester angefallen haben?«
    Burton sah ihn mit Verschwörerblick an.
    »Unser Wien, Euer Majestät, ist heutzutage voller Revolutionäre. Das müssen Sie wissen. Kroaten, Magyaren, Böhmen – das nimmt kein Ende. Die Schwester wollte durch mich an Eure Majestät heran. Sie wird von serbischen Mördern bezahlt.«
    Er war überzeugt davon, Sigmund Freud zu sein, obwohl er mit seiner kleinen Statur und dem kleinen kupferfarbenen Bart eher wie Algernon Charles Swinburne aussah, der viktorianische Dichter. Er war überzeugt davon, daß Utrect Kaiser Franz Joseph von Oesterreich sei. Dieser konfuse Geisteszustand wechselte sich mit Perioden fast vollständiger Katatonie ab. Jahr für Jahr wurden die Geisteskrankheiten der Welt komplizierter und strebten der äußersten schoßhaften Enthirnung zu, während die sich ständig ausbreitende Bevölkerung hohe Dosen psychischer Interferenz nach allen Seiten ausstrahlte.
    Obwohl Burtons Fall nur einer unter vielen war, wurde er durch seine Faszination-Abstoßung für Utrect zu einem einmaligen, und er hing direkt, aber auf einer subrationalen Ebene mit dem Auftrag zusammen, mit dem er Bob Hoggart

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