Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Macke, die es hatte. In mein Zimmer kiekte die Delegation nur einmal kurz rein, als ich an den Hausaufgaben saß. Railroading in the United States.
What was the first American train pulled by?
Which of the two countries pioneered railroading – Britain or the United States? Give reasons.
Renate rief aufgeregt an und erzählte, Olaf habe ihr ein Telegramm geschickt, daß er nach Kanada fliegen müsse, für mehr als drei Wochen, zu irgendeinem Manöver in Camp Shilo oder so ähnlich.
Na und? Der würde schon wiederkommen. Renate übertrieb’s gelegentlich mit ihrer Affenliebe, fand ich.
Dem neuesten Brief von Michael lag wieder mal einer von Holger bei. Die Anrede mußte man rückwärts lesen.
Ollah Nitram!
Du scheinst ja, im Gegensatz zu uns, ziemlich viel zu erleben.
Ob das ironisch gemeint war?
Leider passiert bei uns rein gar nichts. Und wer ist daran schuld? Michael Gerlach. Seit Du weg bist, sitzt er nur blöd auf seinem Arsch und tut gar nüscht. Von wegen im Wambachtal sind zu viele Mücken oder es ist zu heiß. Er hat ganz einfach keine Lust. In der Schule und im Bus hockt er sieben Stunden lang rum, und wenn er nach Hause kommt, heult er: »Huuuäääh ... hab keine Lust, huuuäääh.« Was soll unsereins da schon ausrichten. Allein macht’s eben keinen Spaß. Na ja, manchmal rafft er sich auf, aber dann muß man ihm ’ne Gegenleistung bringen, z.B. Pommes frites oder Kaugummi. Oder auch Schläge kassieren.
Jaja, es ist schon schlimm mit ihm! Hoffentlich brennt Euer Haus ab, und Ihr kommt zurück.
Tschüß – Holger
In seinem eigenen Brief erzählte Michael von ganz was anderem.
Juchhee!
Gerade hat mich Dein jüngstes Gekritzel erreicht. Und so reiße ich mich nun zusammen und schreibe Dir einen meiner berüchtigten Von-der-Langeweile-erzähl-Briefen.
Bei uns herrscht herrliches Wetter. Glühendheiß und stickig. Mir wär’s lieber, wenn Schnee läge. Dicker, fester, schöner Schnee. Und eisig kalt müßte es sein. Und Schlittenfahren müßte man können!
In der letzten Zeit habe ich versucht, mein Kett-Car wieder in Schwung zu bringen, damit ich wenigstens irgendetwas zu tun hatte, aber ich hab’s nicht geschafft.
Für etwas Abwechslung hat unser Wellensittich Jakob gesorgt. In der letzten Woche ist er dreimal abgehauen. Auch gestern. Zum Glück haben wir ihn jedesmal wieder einfangen können. Irgendwann wird er für immer abhauen. Er kann schon fünf Meter weit fliegen.
Aber was der Holger Dir schreibt, stimmt alles gar nicht. Buuhää! Das stimmt nicht, stimmt nicht, stimmt ja alles gar nicht!
Wovon soll ich denn jetzt noch schreiben? Daß Holger sich in einen Werwolf verwandelt hat? Oder von dem Vulkanausbruch in unserer Nähe? Solche Lappalien werden Dich wohl kaum interessieren.
Im Wambachtal reißen sie jetzt den ganzen Boden auf und verlegen Rohre. Schöne Schweinerei! Und im »Heimat-Echo« schreiben sie: »Der Bürgermeister und die Stadträte besprachen gestern die Kultivierung des Wambachtals.« Ich würde wetten, daß die das im Suff besprochen haben, oder sie waren von oben bis unten mit Heroin vollgepumpt.
So, ich mach jetzt Schluß. Wie der lateinische Satz ging, hab ich vergessen.
Ich wünschte mir ein Kaleidoskop, und Papa, sparsam wie immer, bastelte selber eins, aus Spiegelchen, Kleister, Klebeband, Konfetti und ’ner Pappröhre, aber wenn man da reinkuckte, sah man nicht viel, weil es zu dunkel war innendrin.
In Mathe hagelte es Funktionsgraphen, Koordinatenpaare, Vereinigungsmengen und Teilmengenbeziehungen zwischen Erfüllungsmengen.
Zeichne das Pfeildiagramm der Relation. Setze dazu für x und für y Zahlen aus der Menge A = { –2, –1, 0, 1, 2} ein. Prüfe: Ist die Relation reflexiv, ist sie symmetrisch, ist sie transitiv?
Ein einziger Pillefax war das. Ein mieser, hirnverbrannter, verstunkener Mist, den sich irgendwelche Sadisten aus den Fingern gesogen hatten, um harmlose kleine Untertertianer zu schikanieren. Transitive Relation, wenn ich das schon hörte! Überflüssig wie ein Kropf, der ganze Krempel.
Oder etwa nicht? Schon mal ’ner transitiven Relation begegnet, in der freien Wildbahn, außerhalb der Schule? In echt?
Als ich nachhausefahren wollte, waren die Bahnschranken unten. Na klar. Wieviel Lebenszeit ich wohl inzwischen schon vor diesen Schranken verplempert hatte?
Eine andere gute Frage war, wieso die Schranken regelmäßig eine halbe Ewigkeit, bevor der Zug kam, runtergingen. Hätten, sagen wir mal, zwei Minuten nicht genügt?
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