Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Hrubesch und Werner Lorant Gladbachs frühe Führung gegen Rot-Weiß Essen in einen Rückstand, und dabei blieb’s. Eine Heimniederlage! Das war eine kalte Dusche, die an Gladbachs Nimbus der Unbesiegbarkeit kratzte. Falls Duschen an Nimbussen kratzen konnten.
Ich saß am Klavier und pingelte mir da was zusammen (»An der Saale hellem Strande«), als Mama reinkam, um mich ins Gebet zu nehmen: Ob sie mich bei der Musikschule anmelden solle? Dann müsse ich aber auch regelmäßig üben. »Hörst du?«
Pastor Böker stellte klar, daß die Konfirmation die Erneuerung eines uns bereits als Täuflingen gegebenen Versprechens sei: »Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.«
Durfte man als Christ denn nicht sich selbst gehören? Mir reichte es schon, ständig von Papa in den Garten gepfiffen zu werden, und nun sollte ich auch noch einem Gott gehorchen, der jederzeit sein Copyright an mir geltend machen konnte.
Oma Schlosser rief an. Sie habe einen Brief von ihrer Freundin aus Südwestafrika gekriegt: Nahebei habe ein Guerilla-Überfall stattgefunden, eine weiße Farmerfamilie sei ermordet worden, und die Gegend sei wohl doch zu unsicher für Touristen.
Die Reise wurde abgeblasen.
Mama rief Renate an: »Hast du schon gepackt? Aha. Dann pack mal wieder aus. Deine Mama bleibt hier!«
Sie rief auch in Afrika an, bei der Familie der Freundin von Oma, und auf einmal sah alles gar nicht mehr so dramatisch aus. In einem Telefonat mit Oma Schlosser sprach Mama ihr wieder Mut zu der Reise zu, und Oma lenkte ein. Dann rief Mama noch einmal Renate an: »Kommando zurück! Wir fliegen doch! Schöner Schreck in der Abendstunde, nicht?«
Renate konnte allerdings erst am Aschermittwoch nach Meppen kommen, weil sie nach der Birkelbachzeit noch zu ihrem Abgott Olaf hinwollte.
Bei Mamas Abreise lag Meppen in dichtem Nebel, und Mama bangte um die schöne Vogelperspektive, die sie vom Flugzeug aus haben würde. Geflogen war sie vorher noch nie. In Düsseldorf würde Onkel Jürgen Mama und Oma zum Flughafen bringen.
»Hals- und Beinbruch!« rief Papa Mama vom Bahnsteig aus nach und holte ein Taschentuch raus, um ihr damit hinterherzuwinken.
Von Zürich würden Mama und Oma mit South African Airlines nach Windhuk fliegen, und da sollten sie abgeholt werden.
Eintausendneunhundertundvier Mark pro Nase kosteten Hin- und Rückflug.
»Und ich bin jetzt Strohwitwer«, sagte Papa.
In der EM-Qualifikation zermalmten wir Malta mit 8:0. Ich spitzte mich auch schon auf die WM ’78, obwohl die Jahreszahl noch so klang wie der Titel eines irren Zukunftsromans. 1978! Moderner würde es überhaupt nicht mehr gehen, oder frühestens im Jahr 2000, mit Küchenrobotern, fliegenden Autos und Wolkenkratzern aus Plastik oder Aluminium oder irgendwelchen Rohstoffen vom Neptun. Und mit Bildungspillen, die man nur zu schlucken brauchte, und schon würde man perfekt Chinesisch sprechen.
Als ob man auf ’ner Zeitreise wäre. Die Jahreszahl 1976 hatte ich so halb und halb verkraftet, aber auf 1977 würde ich mich nicht mehr einstellen können, und auf 1978 und alles, was danach noch kommen sollte, war ich nicht genügend vorbereitet. Meiner einer, hätte Bugs Bunny gesagt, wäre lieber in das Jahr 1971 oder meinetwegen 1966 zurückgekehrt, um das noch einmal auszukosten.
1976 war ein Schaltjahr. Eine Tochter von Onkel Dietrich – welche, hatte ich vergessen – war am 29. Februar geboren worden und konnte deshalb nur alle vier Jahre richtig Geburtstag feiern.
Papa erlaubte mir, mit dem Rad nach Rütenbrock zu fahren, wo ich Hermann Gerdes besuchen wollte, und ich durfte da auch übernachten.
Von Meppen nach Rütenbrock, das waren dreißig Kilometer. Nach dem Sonntagsfrühstück stratzte ich los, guten Mutes, mit drei Bechern Kaba und sieben Erdbeermarmeladentoasts im Bauch.
Bis Haren hatte ich Rückenwind. Ab dann ging’s schwerer, an einem Kanal entlang, wo mir der Wind ins Gesicht blies und ich oft im Stehen fahren mußte, Kilometer um Kilometer.
Hermann Gerdes wohnte im letzten Haus in der Kanalstraße. Da bekam ich gleich die fette Sau gezeigt, die denen gehörte und in deren Stall es so gottsjämmerlich stank, daß ich fast umgekippt wäre.
»Junge«, sagte Hermann, »du bist nichts gewohnt!«
Zu Mittag gab’s erst Hühnersuppe und dann Hähnchen mit Kartoffeln und Rotkohl. Hähnchen mit Kartoffeln, das leuchtete mir ja noch ein, aber Rotkohl? Um Hermanns Mutter nicht zu kränken,
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