Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
würgte ich den Rotkohl runter und riß mich zusammen, um ihr den nicht auf den Tisch zu kotzen, denn von Rotkohl wurde mir speiübel. Schon von dem Geruch allein.
Als ich den Fraß endlich verdrückt hatte, bot Frau Gerdes mir einen Nachschlag an. Wie hätte ich den abwehren sollen?
Überm Eßtisch hing ein Klebestreifen von der Decke runter, mit toten und sterbenden Stubenfliegen, die sich in dem Leim verfangen hatten.
Eigenartig war auch, daß sich am Eßtisch alle bekreuzigten.
Nachmittags zeigte Hermann mir die Ruine einer alten, schon vor Jahren stillgelegten Ziegelei. Da konnte man die letzten heilen Fensterscheiben und Dachziegel mit Steinen zerschmeißen.
Aus der Hosentasche holte Hermann ein Feuerzeug raus, doch unser Versuch, im Schatten der Ziegelei ein Lagerfeuer zu entfachen, mißlang.
Am Kanal lieferten wir uns ein Kämpfchen, und Hermann erzählte mir vom Buhkeeler: Das sei ein Ungeheuer, das den Kanal bewohne, so ähnlich wie das von Loch Ness, und wenn ein Kind dem Kanal zu nahe komme, werde es vom Buhkeeler erbeutet und aufgefuttert.
Ulkig an dem Haus von Hermanns Eltern war die Existenz eines zweiten Wohnzimmers, das sie nur an den höchsten Feiertagen benutzten. Da war alles am vornehmsten eingerichtet, aber sie setzten sich nur drei- oder viermal im Jahr hinein. »Die kalte Pracht«, so hieß das.
So sei das nun mal bei den Katholiken, sagte Volker, die hätten eben den einen oder anderen Spleen, und Papa schrie: »Bring das verdammte Fahrrad runter!«
Am Frühstückstisch erschien Wiebke mit aufgemaltem Clownsgesicht und Pappnase. »Wetten, daß du die einzige bist, die so doof beschmiert zur Schule geht?« fragte ich sie, und da fing sie zu heulen an, und Volker sagte, daß ich ein Blödian sei.
Dabei hatte ich doch nur ’n kleinen Witz machen wollen. Mußte die denn jeden Mist so gräßlich ernstnehmen? Obwohl ich ihr mal ’n Eis ausgegeben hatte?
Mittags kochte Papa uns Milchnudeln, und im Viertelfinale des Europapokals der Pokalsieger unterlag Sturm Graz Eintracht Frankfurt mit 0:2.
Auch am Aschermittwoch kochte Papa wieder Milchnudeln, die allerdings anbrannten, und es war gut, daß um drei Uhr Renate kam, mit Olaf, um die Regie zu übernehmen. Beim Rühreizubereiten knabberte Olaf an Renates Ohrläppchen, und er faßte ihr unter die Bluse, aber das Bett mußte Renate ihm in einem anderen Zimmer beziehen als in ihrem eigenen alten.
In Birkelbach, sagte Renate, gebe es eine Telefonzelle, mit der stimme irgendwas nicht: »Da braucht man bloß den Hörer abzunehmen, und dann kann man telefonieren, ohne Geld einzuwerfen.« Da seien dann natürlich immer alle hingerannt. »Aber das ist Schnee von gestern! Jetzt freu ich mich, daß die Birkelbachzeit um ist. Ewig will ich ja auch nicht in Maidentracht rumlaufen und Fußböden scheuern und Baumkuchen grillen!« Die hätten noch nicht mal geschmeckt, die blöden Baumkuchen. Und dafür der ganze Aufwand! Ach ja, und ’ne Freundin von ihr, die habe sich da vor ’n paar Tagen aus dem Fenster stürzen wollen, aus Liebeskummer. Völlig aufgelöst sei die gewesen. Das heulende Elend.
Dann mußte Renate plötzlich noch ’ne Schnittchenplatte machen, weil Papa Besuch kriegte von zwei E-Stellen-Heinis, und obwohl Papa in seinem Arbeitszimmer zwei Sessel stehen hatte, für Besucher, pflanzte er sich mit den Leuten ins Wohnzimmer, so daß ich nicht im Fernsehen kucken konnte, wie sich Gladbach im Europapokal schlug. Ich mußte mit der Radioübertragung vorliebnehmen, oben in meinem Zimmer.
Den mit Netzer und Breitner angetretenen Madrilenen kloppte Gladbach in der ersten Halbzeit zwei Tore rein. Sekunden vor dem Halbzeitpfiff glückte den »Königlichen« der Anschlußtreffer und in der zweiten Halbzeit der Ausgleich. 2:2.
Das Spiel Benfica Lissabon – Bayern München endete 0:0.
In jeder großen Pause ging ich zuallererst zum Aushang der Vertretungspläne. Vielleicht hatte man ja mal Glück. Und siehe da, der Schlüter war erkrankt: Franz fiel aus, auch Erde war gestrichen, und die gesamte Klasse durfte nachhause!
Renate bereitete Pasta asciutta zu, mit Nudeln und Salat, und Olaf schälte Birnen für den Obstquarknachtisch.
»Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?«
Das hatte Luther mal gesagt, angeblich, zu seinen Tischgästen.
Nach dem Essen mußten Volker und ich Renate Töpfe spülen helfen, und Wiebke sollte den vollen Komposteimer nach draußen bringen. Das gab’s bei Mama nicht, daß die uns
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