Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
irgendwas auf mein Zeichenblockblatt. »Action Painting« sei das, sagte er. Eine ganz neue Kunstform. »Aus den USA, mein Junge! Dagegen solltest du dich nicht sperren! Das ist die Kunst der Avantgarde!«
Zuhause trug ich meine Weihnachtsgeschenke zusammen: ein Taschentuch für Tante Gertrud, einen Spannungsprüfer für Onkel Dietrich, Tante Hannas vom Band abgetippte Jugenderinnerungen für Mama und Papa und Tante Hanna, ein Taschenbuch mit Haushaltstips für Oma Schlosser und einen Haufen ausgeschnippelter Kreuzworträtsel für Oma und Opa Jever. Von denen wünschte ich mir zu Weihnachten eine Ausgabe der Bibel in Martin Luthers Übersetzung.
Von dem Foto, das ich von ihm beim Hocken auf der Suzuki aufgenommen hatte, verschickte Volker gerahmte Abzüge an die gesamte Verwandtschaft. Er hatte sich inzwischen einem Eignungstest für die Bundeswehr unterzogen und hoffte, nach der Grundausbildung bei einer Instandsetzungstruppe zu landen.
Und dabei hatte er früher immer Düsenjäger gezeichnet und vom Pilotenberuf geträumt.
Im Zweiten lief ein sonderbarer Spielfilm über einen dicken bayrischen Kioskbesitzer, der eine Reise nach New York gewonnen hatte und da mit einer Milchkuh an der Leine durch die Straßen zottelte und sich mit einer Prostituierten aus Deutschland zusammentat.
Normalerweise sah ich mir ja lieber Filme über Leute an, mit denen ich hätte tauschen wollen, oder komische Filme über ausgemachte Unglücksraben. Wozu sollte ich jemandem zusehen, der mit seiner Kuh im Schlepptau durch New York zog, ohne daß es dabei auch mal richtig was zu lachen gegeben hätte?
Einen Tag vor Heiligabend kam Renate aus Bonn an und erzählte, daß sie da neulich mit einer selbstgemachten grauen Cordjacke mit Schiebermütze, Schal und Fingerhandschuhen bei einer Modenschau mitgewirkt und den dritten Preis gewonnen habe, ein Bügeleisen, und dabei war sie schon wieder am Häkeln. Mit Renates gesammelten Handarbeiten hätte man inzwischen wahrscheinlich die Bevölkerung einer mittleren Großstadt einkleiden können, von den Säuglingen bis zu den Greisen.
Im Gepäck hatte Renate pädagogische Fachliteratur. Rudi Maskus: »Unterricht als Prozeß«.
In einer französischen Komödie spielte David Niven einen superschlauen Ganoven, dessen Gehirn so schwer war, daß ihm ständig der Kopf zur Seite sackte. Am Ende kachelte Jean-Paul Belmondo mit einem Citroen über eine bereits geöffnete Hubbrücke. Bei der Landung brach der Wagen in zwei Teile, und da fuhr Belmondo einfach mit der vorderen Hälfte weiter.
»Auf ’ne weiße Weihnacht braucht sich diesmal niemand Hoffnungen zu machen«, sagte Mama, nachdem sie durchs Eßzimmerfenster einen Blick in den bepißten emsländischen Morgenhimmel geworfen hatte.
Zur Bescherung erschien Volker abends in einem hellbraunen Cordanzug, den er aus einer der tiefsten Sedimentschichten seines Kleiderschranks gegraben haben mußte. Ich konnte mich jedenfalls nicht daran erinnern, daß ich Volker je zuvor in diesem Gerät hatte herumlaufen sehen.
Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh ...
Um es kurz zu machen: Ich erhielt einen braunen Norwegerpullover, zwanzig Mark von Tante Gertrud, ein neues Portemonnaie von Tante Dagmar, eine Teekanne (aus Glas), damit ich Mama nicht immer ihre gute blaue Kanne entwenden mußte, und dazu noch viele Bücher, die ich mir gewünscht hatte – das sechsbändige rororo-Filmlexikon, das Western-Lexikon von Joe Hembus, »Bergman über Bergman«, ein Buch über Charlie Chaplin und seine Filme, die Bibel im Lutherdeutsch, eine dtv-Dünndrückausgabe der Komödien des Aristophanes und dann noch dit und dat und von Tante Hanna ein viel zu großes Oberhemd. Das trat ich freiwillig an Volker ab.
Auf den bunten Tellern tummelte sich in diesem Jahr zwischen den üblichen Süßigkeiten auch sogenanntes feinstes Lübecker Edelmarzipan, das wir Tante Hanna und Fräulein Kunze zu verdanken hatten. Außerdem hatte Tante Hanna einen Berg Strickwolle und eine Salatschleuder herüberwachsen lassen.
Von Renate gab es wieder einmal allerlei Handgemachtes, vor allem Geknüpftes, und für sie selbst einen altmodischen roten Riesenwecker und von Tante Dagmar eine Schwarte mit dem Titel »Funkkolleg: Pädagogische Psychologie«. Auf Wiebkes keksbekrümelter Ecke des Gabentischs lag eine miese gelbe Klemmleuchte zwischen einem Buch von Astrid Lindgren (»Das entschwundene Land«) und einer von Renate ausgesuchten Platte der Schrottband Boney M. (»Nightflight to
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