Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
trifft bestimmt für die zweite Ehe zu; Anna Magdalena schenkte ihm dreizehn Kinder ...
Ich dachte, es hackt. Was war denn das für ’ne Biographie, in der das grauenhafteste Erlebnis der Person, um die es ging, überhaupt nicht erwähnt wurde? Und dafür hatte ich sieben Mark achtzig bezahlt! Und dann noch der Quatsch, daß Bachs zweite Ehe glücklich verlaufen sein müsse, weil ihm von seiner Frau dreizehn Kinder geschenkt worden seien. Da war doch jeden Tag die Hölle los gewesen!
So um zwei Uhr nachmittags, nach der Erledigung der Hausaufgaben, legte ich mich zu einem Mittagsschläfchen hin und wachte erst um sechs Uhr abends wieder auf. Gottsdonner! Hatte mir denn soviel Schlaf gefehlt in der letzten Zeit?
In Bio ging’s gleich wieder los mit Chlorophyll, Membranstapeln und Porphingerüsten, in Mathe mit Differentialrechnung, ganzrationalen Funktionen, Tangentenproblemen und Proportionalitätsfaktoren und in Deutsch mit der Tragödie »König Ödipus« von Sophokles. Rein privat bereitete mir die Beschäftigung mit antiken Dramen Vergnügen, aber im Unterricht?
Hermann hatte in seinem Gemeinschaftskundekurs einen Film über den Kalten Krieg gesehen, mit einer Szene, in der Chruschtschow vor der UNO aus Wut mit seinem Schuh aufs Redepult gehauen habe, wie Rumpelstilzchen.
Mama war nach Jever abgerauscht, um ein passendes Lokal für das geplante Klassentreffen des Abiturjahrgangs 1949 auszuwählen, und wir saßen alle friedlich vor der Tagesschau , als es im Garten irre schepperte und krachte: Da war ein Pkw durch unsere Gartenhecke gedonnert und stand halb drinnen und halb draußen.
Ein leicht angeheiterter Jüngling stieg aus. Der hatte offensichtlich die Kurve nicht gekriegt. Papa rief bei der Polizei an, und die Polizisten, die daraufhin eintrafen, nahmen den Fahrer zur Blutprobe mit.
Seltsam, so eine Karre im Garten stehen zu haben, über dem niedergewalzten Stück Hecke. Den beschädigten Wagen holte anderntags irgendeine Abschleppfirma weg, und wir saßen fortan mit diesem zwei Meter breiten Loch in der Hecke da.
Das sei ja nun wieder köstlich, sagte Mama, als sie zurückgekommen war. Da freue sie sich schon drauf, auf das Gezänk mit der Versicherung dieses Blödians.
In Jever habe sie mit Tante Therese telefoniert: Den Engländern gehe es wirtschaftlich unglaublich dreckig. Man könne da zwar alle Lebensmittel kriegen, wenn auch verteuert, aber in der Schule sei es immer kalt, mehr als 15 Grad erlaube die Headmistress nicht, weil alle sparen müßten, um dem Land zu helfen, und noch schlimmer sei es in den Krankenhäusern. Da hätten wir’s hier viel besser.
Der Gemeinschaftskundelehrer Kröger, ein Mann mit Schlips und Jackett, sagte, daß er Adolf Hitlers »Mein Kampf« gelesen habe, beide Bände, widerwillig, denn die seien schauerlich schlecht geschrieben, aber wenn man sich für Geschichte interessiere, müsse man selbstverständlich auch die Quellen erkunden.
Ich zeigte auf sagte, daß Hitler damals doch gar nicht so wichtig gewesen sei. Die deutschen Imperialisten hätten sonst eben einen anderen Diktator finanziert und die gleiche Eroberungspolitik betrieben.
»Au«, sagte der Kröger. »Au! Ist hier noch jemand der gleichen Meinung?« Und dann holte er zu einem Vortrag über Hitlers Irrsinnspolitik aus, die alle bis dato bekannten diplomatischen Beziehungen zwischen den europäischen Staaten über den Haufen geworfen habe. »Und wer hätte denn, Ihrer Ansicht nach, an Hitlers Stelle treten sollen, wenn es den nicht gegeben hätte?«
»Joseph Goebbels«, schlug ich vor, »oder Hermann Göring vielleicht«, aber das überzeugte den Kröger nicht. »Goebbels ist, nach allem, was die Historiker ermittelt haben, viel pragmatischer verfahren, und er hat auch nicht im gleichen Maße die charismatische Ausstrahlung gehabt, die Adolf Hitler zueigen gewesen ist, und das gleiche gilt für Hermann Göring ...«
Ja, kam es in der Weltgeschichte denn auf einzelne Leute an? Und dann womöglich auch noch auf so kreuzbescheuerte Leute wie Hitler?
In Englisch wurde das Theaterstück »Death of a Salesman« durchgenommen, doch ich brachte ich es nicht über mich, das gründlich zu lesen. Dafür hatten die die Hauptfiguren einfach zu alberne Vornamen: Willy, Happy und Biff. Von den Machern der Sesamstraße hätte ich mir solche Namen ja eventuell noch bieten lassen, aber von einem Dramatiker, über dessen Weltbild ich mir wochenlang Gedanken machen sollte? Nö.
Im Redaktionsraum hockten der
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