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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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Nossig, der Hellermann, Hermann und ich bei der nächsten Sitzung wieder ganz alleine da, bis sich ein weibliches Geschöpf aus der Mittelstufe mit scheuem Blick und linealgeradem Mittelscheitel zu uns gesellte, um sich vorzustellen (»Ich bin die Sabine«), ein selbstverfaßtes Gedicht abzugeben und sofort wieder zu verschwinden.
    Der Nossig las sich das Gedicht mit weit aufgerissenen Augen durch, knüllte das Papier, auf dem es stand, zusammen, stopfte es sich in den Mund und begann darauf herumzukauen.
    »Hat das nicht so ganz deinen Erwartungen entsprochen?« fragte der Hellermann.
    »Nein«, sagte der Nossig, nachdem er das zerkaute Papier in den Abfalleimer gespuckt und sich mit dem Handrücken den Sabbel abgewischt hatte. »Ich weiß, das war jetzt keine demokratisch gefällte Entscheidung, aber ich wollte verhindern, daß dieses Mädchen sich durch die Veröffentlichung seiner Rechtschreibfehler unglücklich machen könnte. Von der Veröffentlichung seiner intimsten Bekenntnisse jetzt mal ganz abgesehen.«
    In der Stadtschänke sang Hermann mir beim Bier ein Lied vor, das er irgendwo aufgeschnappt hatte:
    Ich will nicht werden, was mein Alter ist.
    Ich möchte aufhören und pfeifen auf das Scheißgeld.
    Ich weiß, wenn das so weitergeht, bin ich fertig mit der Welt ...
    Von Ton Steine Scherben sei das. Merkwürdiger Name. Der bezog sich wohl irgendwie auf die IG Bau Steine Erden, aber nicht in dem Sinne, daß die Bandmitglieder viel für die Maloche auf Baustellen übriggehabt hätten.
    Auch ich wollte nicht werden, was mein Alter war: verbeamteter Ingenieur auf der E-Stelle in Meppen, Heimwerker und Ehegatte einer kinderreichen Hausfrau. Niehielefiemalhalslefals! Wenn das die einzige solide Lebensperspektive gewesen wäre, hätte ich es vorgezogen, irgendwo im Rinnstein zu verenden, als lediger und kinderloser Luftikus meinetwegen, aber wenigstens als freier Mann.
    Gene Hackman spielte in Francis Ford Coppolas Spielfim »Der Dialog« einen Abhörspezialisten, der durchdrehte, weil er mit seiner Schnüffelei einen Mord ermöglicht hatte. In dieser Rolle verkroch sich Gene Hackman in seinem Hotelzimmer unter der Bettdecke, so wie auch ich’s einmal getan hatte, mit meinem ersten Silvesternachtskater.
    Deutsch. Gerhart Hauptmann, »Die Weber«. Wie die ausgebeutet worden waren damals in Schlesien. Hatten Tag und Nacht geochst und trotzdem nicht genug zu fressen gehabt.
    Neun hungriche Mäuler, die soll eens nu satt machen. Von was d’n, hä? Nächsten Abend hatt ich a Stickl Brot, ’s langte noch nich amal fir die zwee kleenst’n. Wem sold’ ich’s d’n geb’n, hä? Alle schrien sie in mich ’nein: Mutterle mir, Mutterle mir ...
    In diesem Stück demolierten sie dem Fabrikanten Dreißiger seine Villa und wollten dann gleich weiterziehen zur nächsten.
    Sei m’r hier fertig, da fang’ m’r erscht recht an. Von hier aus geh’ mer nach Bielau ’nieber, zu Dittrichen, der de die mechan’schen Webstihle hat. Das ganze Elend kommt von a Fabriken.
    Maschinenstürmerei, das hatte ja nun auch nicht die Lösung sein können.
    In Mamas Dramenführer stand, daß die erste öffentliche Aufführung 1894 in Deutschland polizeilich verboten worden war.
    Herrgott im Himmel!
    Das schrieb mir Michael aus Vallendar.
    Dein Brief trägt das antike Datum 18. Januar 1979. Ich bin eben stinkfaul. Daran läßt sich nichts ändern. Aber besser spät als gar nicht. Oder? Bei meinen Briefen ...
    Jetzt lege ich aber los. Jetzt kommt der Brief des Jahrhunderts. Das hat die Welt seit Plinius nicht mehr erlebt. Also:
    Nun ja, man soll nichts überstürzen. Vielleicht ein andermal. Aber irgendwas muß ich doch schließlich schreiben ... ach ja, Du stellst doch so geistreiche Fragen in Deinem Brief. Wie war das gleich noch? Was ich nach der Schule machen will? Was heißt hier wollen? Können meinst Du wohl. So wie es jetzt aussieht, wird das nicht allzuviel sein. Und wenn’s so weitergeht wie in diesem Probehalbjahr, dann kann ich das Abitur vielleicht sogar in den Wind schreiben. Das einzige, was ich für die Schule tue, ist hinzugehen. Jedenfalls meistens. Das Blaumachfieber hat auch mich schon erwischt. Zwar noch nicht breitseits, doch die ersten Symptome sind deutlich erkennbar: bis ins Unerträgliche gesteigerte Müdigkeit, Abscheu vor Lehrergesichtern, Vorliebe fürs Kaffeesaufen von 10–13 Uhr. Das Schlimme ist, daß das Café gleich um die Ecke liegt. Sollte man glatt verbieten, sowas.
    Es sieht demnach nicht rosig aus.

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