Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
hinterließ dem Hornochsen meinen Namen und meine Adresse, und dann fuhr ich wieder nachhause.
»Ich bin jetzt Juso«, sagte ich zu Mama.
»Ach nee!« rief sie da aus. »Dann tu doch mal was für die unterdrückte Klasse der arbeitenden Hausfrauen und räum deinen Kleiderschrank auf!«
Laut Spiegel verschreckte die Ehescheidung des SPD-Chefs Willy Brandt die »prüden Gartenlauben-Sozis«, und ich dachte, ich steh im Wald. In welchem Jahrhundert lebten wir denn? Wenn es nicht einmal die Sozialdemokraten des Jahres 1979 nervlich verkrafteten, daß ihr Parteivorsitzender sich scheiden ließ, dann hätten wir ja auch gleich alle zur katholischen Kirche übertreten können.
In einem Spielfilm, der spätabends lief, sagte Jane Fonda zu Donald Sutherland: »Reden Sie sich geil oder stehen Sie auf Ärsche?«
Natürlich nur in der deutschen Synchronisationsfassung. Da hätte mich der Originalwortlaut mal interessiert, aber solche Sachen wurden einem in Englisch leider nicht beigebracht.
Die Chefsekretärin des CDU-Politikers Kurt Biedenkopf hatte sich in die DDR abgesetzt, so wie vorher auch schon die Sekretärin des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Werner Marx, nachdem eine andere Sekretärin aus der CDU-Parteizentrale wegen Spionage festgenommen worden war.
Die stramme CDU – so löchrig wie ein Schweizer Käse.
Übelkeitserregend wirkte aber auch die Vorstellung, daß so ’ne Tippse gleichzeitig der CDU und dem real existierenden Sozialismus dienlich war.
»Also, wenn du meine unmaßgebliche Meinung dazu hören möchtest«, sagte Hermann, »ich glaube, diese Weiber haben einfach nur ans Geld gedacht und sonst an nüschte, und der Sozialismus ist denen genauso egal wie das Grundsatzprogramm der Christdemokraten. Die wollten an die Kohle ran.«
Neuschnee und Tauwetter bildeten die idealen Bedingungen für Schlitterpartien und Karambolagen auf dem Fahrradweg. Ausweichen mußte man den Stellen, wo die Baumwurzeln den Asphalt gesprengt hatten oder den Teer oder was das war.
Am Nachmittag riß ein Sturm die Terrassenspaliere mitsamt den Kletterrosen weg und verteilte das gesamte Zeug in unserem Garten.
»Na, da wird sich Papa aber freuen«, sagte Mama und schlug die Hände überm Kopf zusammen.
Ich wollte nun auch mal wieder was Moderneres lesen als mittelhochdeutsche Texte. In Mamas Bücherschrank fand ich ein Buch mit einem sagenhaft schönen Gedicht von Goethe.
Warum gabst du uns die tiefen Blicke,
Unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun,
Unsrer Liebe, unserm Erdenglücke
Wähnend selig nimmer hinzutraun?
Goethe hatte diese Verse einer Geliebten gewidmet und sein schwieriges Verhältnis zu ihr mit dem gewöhnlichen Eheleben seiner Zeitgenossen verglichen:
Ach, so viele tausend Menschen kennen,
Dumpf sich treibend, kaum ihr eigen Herz,
Schweben hin und her und rennen
Hoffnungslos in unversehnen Schmerz ...
Wie in dem einen Song der Beatles:
All the lonely people, where do they all come from?
In Goethes Gedicht lief es dann aber darauf hinaus, daß das lyrische Ich sich mit Wehmut an ein früheres Leben mit der Geliebten erinnerte:
Ach, du warst in abgelebten Zeiten
Meine Schwester oder meine Frau.
Dieses Gefühl hatte ich auch jetzt noch manchmal, wenn mir auf dem Schulhof Michaela Vogt über den Weg lief.
Tropftest Mäßgung dem heißen Blute,
Richtetest den wilden irren Lauf,
Und in deinen Engelsarmen ruhte
Die zerstörte Brust sich wieder auf ...
Schön wär’s gewesen. Aber mit Goethe wollte ich mich jetzt doch mal intensiver befassen.
In dem schlechtesten Film aller Zeiten geierte ein verheirateter Mann anderthalb Stunden lang auf eine Nummer mit Marilyn Monroe, doch es wurde nichts daraus. Ich kapierte sowieso nicht, was die Männerwelt an dieser kapriziösen Schönheitskönigin fand. In meinen Augen rangierte Marilyn Monroe tief unter Katharine Hepburn.
Morgens schnodderte mir der Schnee ins Gesicht, in der Schule durfte ich mich mit variablenfreien Termen und dem Identitätssatz für ganzrationale Funktionen auseinandersetzen, und mittags, als der Wind gedreht hatte, kriegte ich abermals den Schnee ins Gesicht.
Der Hamster Peter hatte immer noch Haarausfall am Arsch, und mir verging nun echt bald jede Lust an diesem Leben. Nachdem ich die Nacht überstanden hatte, hörte ich schon wieder, wie Papa draußen das Eis von der Windschutzscheibe am Wegkratzen war, und ich hätte kotzen können. Allein dieses Geräusch! Und wozu? Nur um zu einem scheißigen, verhaßten
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