Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Bauernjungen deshalb ein bitteres Scheiden. Im Oktober 1879 morgens 2 Uhr mußte ich Abschied nehmen. Wie lebendig steht diese Stunde heut noch vor meiner Seele. ›Bleib ein frommes Kind!‹ war das letzte Abschiedwort meiner Mutter.
Vom Seminardirektor wurde ich zu einem Bäckermeister Schimberg gewiesen. Dort sollte ich mein Bett aufschlagen und meine Lade hinstellen. Es war ein recht altes, sehr baufälliges Haus. Eine windige Dachstube wurde mein Heim. Ein finsteres Loch!
Mein Stubengenosse war ein Wende und bereits 18 Jahre. Er war in gewisser Beziehung mein Vorgesetzter. Von diesem Rechte machte er auch reichlich Gebrauch. Ich habe unter seiner Roheit viel zu leiden gehabt.
Der Direktor wurde mein Schutzengel. Er wußte, daß in dem schüchternen Bauernjungen nicht Dummheit, sondern Verstand saß. Mich plagte und verzehrte großes Heimweh, so daß ich schwer erkrankte. Die Eltern wurden herbeigerufen. Mein Vater wollte mich gern wieder mit nach Hause nehmen. Er merkte, daß mein Herz mehr an Kühen, Pferden und Schweinen hing als an der Schule. Der Direktor aber redete es ihm aus: »Lassen Sie mir den Jungen, Herr Schlosser. Er macht mir mehr Freude als all die Berliner und anderen Städter, und er wird sich schon hereinfinden. Will er einige Wochen mit nach Hause, nehmen Sie ihn mit. Sie schicken ihn mir aber wieder.«
Diese Botschaft machte mich schnell gesund. Ich reiste mit dem Vater in die Heimat. Die Mutter war überglücklich, ihr Sorgenkind wieder in die Arme schließen zu können. Ich war nicht minder glücklich. Aber schon nach einigen Tagen hörte ich, daß man im Dorfe munkelte, man habe mich weggejagt. Dieses Gerede traf mich wie ein Donnerschlag. Es gefiel mir nicht mehr in der Heimat.
So kam ich dann nach einigen Wochen nach Altdöbern zurück. Ich habe alle Kraft zusammennehmen müssen, um mich nicht vom Heimweh unterkriegen zu lassen. Hatte keinen Menschen, den ich kannte. Erst als der Bruder ins Seminar aufgenommen wurde, faßte ich Boden unter den Füßen. Nun stand ich nicht mehr so vereinsamt da. Ich habe fleißig gelernt und versucht, die großen Lücken meines dörflichen Wissens auszufüllen. Leicht ist mir das nicht geworden. Ich wagte es nicht, mich im Unterricht frei zu geben. Immer hatte ich das Gefühl, ich könnte eine Dummheit sagen und würde dann ausgelacht. Das hätte ich nicht ertragen können.
Mir kam das alles verdammt bekannt vor.
Ich kaufte mir die Bild -Zeitung, weil ich wissen wollte, was diese Leute über Dutschkes Tod geschrieben hatten.
Seine Knie ragten noch über den Rand der Badewanne. Oberkörper und Kopf aber waren unter Wasser, die aufgerissenen Augen starrten ins Leere.
Woher wußten die das, die Reporter? Hatten die da auf dem Wannenrand gesessen?
Seine Frau ist im fünften Monat ...
Auch darüber wußten diese Schnüffelhunde Bescheid.
»Die unendliche Geschichte« hätte ich gern gut gefunden, aber das ging nicht.
Da las ein Schüler oben im Speicher seiner Schule ein gestohlenes Buch und wurde irgendwie selbst in die Handlung hineinverwickelt. Das hörte sich ja noch ganz spannend an, aber dann kamen immer wieder so schlierigschmierige Sätze.
Glücklich lächelnd wanderte Atréju in den Säulenwald hinein, der im hellen Mondlicht schwarze Schatten warf.
Pfuideibel. Aushalten konnte ich das alles schon deswegen nicht, weil ich keine Lust dazu hatte, mir vorzustellen, dieses Buch irgendwo auf dem Speicherboden des Kreisgymnasiums zu lesen.
In einem Film aus dem Jahre 1950, der am Sonntagvormittag im ZDF lief, spielte Simone Signoret mit.
»Da war sie halt noch jung und schön«, sagte Mama und angelte sich die nächste Kartoffel. Die Kartoffeln konnte Mama schälen, ohne hinzukucken.
Ein Jüngling rastete in diesem Film vor Freude darüber aus, daß er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte.
Ich hätte lieber ein Verhältnis mit einer unverheirateten Frau gehabt.
Unsere neue Mülltonne war eine mit zwei Rädern untendran. In der Kippstellung konnte man die ganz bequem schieben. Aus grauer Vergangenheit hatte ich noch das Bild vor Augen, wie uniformierte Müllmänner runde Mülltonnen aus Metall durch Drehbewegungen zum Müllauto beförderten.
Ein lausiger Job, überall den stinkenden Müll abzuholen. Allein schon das extreme Gepfeife und Gezische der Müllwagenmaschinerie, und dann alle paar Meter aufspringen und wieder abspringen und die nächste miefende Stinktonne ergreifen und sie in den Mechanismus einspannen und
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